News aus Madagaskar

Manakory – ein herzliches Hallo an alle zusammen!

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Den Einsatz 2016/17 haben wir erfolgreich abgeschlossen. Wir konnten vieles erreichen, unsere bisherigen Engagements vertiefen und einige neue Projekte starten.

Den Bericht haben wir euch als PDF zusammengefasst und mit einigen neuen Bildern versehen. Da es viele Bilder sind haben wir ihn in zwei Teile gefasst.

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TEIL I  zum Download: Hier klicken!

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TEIL II zum Download: Hier klicken!

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Die ganze Geschichte der letzten Jahre findet ihr hier: www.permapartner.org/hintergrund

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Gerne könnt ihr die Geschichte auch Online lesen: Den neuesten Bericht findet ihr gleich nach der Einleitung;

Madagaskar, die viertgrösste Insel der Welt, beschäftigt uns vor allem wegen der gravierenden Abholzung und seiner unglaublichen Schönheit. Es ist wie die Welt im kleinen. Alle Wunder und alle Probleme, welche wir Global haben, finden sich auch in Madagaskar wieder. Quasi alle Nutzpflanzen können hier angebaut werden. Madagaskar hat alle Klimazonen, mit Ausnahme der ganz kalten.

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Und so können auch die Lösungen, welche wir hier erarbeiten, ein Beispiel sein, wie wir global unsere Zukunft sichern können. Nicht nur Beispiel, sondern teil eines globalen Auftaktes, Teil einer neuen Symphonie, welche bereits von Millionen von Menschen gespielt wird. Rund um den Planeten arbeiten unzählige Menschen daran, das geradezu schreckliche Schicksal zu wandeln, welches uns zu ereilen droht. Und so packen wir es auch hier an. Mit Schaufel, Picke und einem Qäntchen Hoffnung.

Neue Terrassenanlage in Menalamba. Ein kleiner funken Hoffnung für die Wälder rundherum.

Neue Terrassenanlage in Menalamba. Ein kleiner funken Hoffnung für die Wälder rundherum. (Zum vergrössern jeweils aufs Bild klicken)

Die Schule Tenaquip – Viele Hände, schnelles Ende!

In nur einer Woche haben wir eine Anlage von über einem Hektar fertiggestellt. Jeden Tag arbeiten mehr als einhundert Menschen zusammen und erreichen in fünf Tagen, wofür ein einzelner Mensch drei Jahren benötigt.
Vor über einem Jahr habe ich Kathy Luckings zum ersten mal getroffen – eine engagierte Kanadierin, welche mit ihrer Organisation “Madagascar School Project” eine Schule mit heute rund 850 Kindern aufgebaut hat. Sie hat einen antroposophischen Hintergrund, möchte die Waldorfpädagogik nach Madagaskar bringen. Sie fand es auf Anhieb sympathisch, ehemalige Waldorfschüler zu treffen, welche Permakultur machen. Sie haben in ihrer Schule einen grosses Garten angelegt, um ihre Kantine zu versorgen. Das bringt uns ins Gespräch.

Tenaquip Schule ganz

Die Schule TENAQUIP von „Madagascar School Project“. 850 Kinder lernen hier, die Schule ist mittlerweile als Gymnasium anerkannt..

Unsere Kooperation ist schnell beschlossen, und so fangen wir gleich im Frühjahr 2016 mit dem Bau erster Swales und Terrassen an. Aus der Elternschaft gibt es Helfer, und so erreichen Sie bis Ende 2016 schon einiges an Erdarbeiten. Wie auch in anderen Regionen machen Sie es nicht auf gleich richtig, sodass wir nun die Arbeiten Korrigieren, und grossflächig erweitern.
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Das Permi Team bei der Besprechung - ready for action!

Das Permi Team bei der ersten Besprechung – ready for action!

Die ganze Operation erinnert an die Organisation einer Römischen Armee. Wir kommen an mit jeder Menge Werkzeug, und als wir die Spaten richten, klirrt das Metall. Es werden jeden Tag über einhundert Eltern zum Helfen kommen. Diese Teilen wir in Einheiten von bis zu 20 Personen ein, Jeder von uns wird eine Einheit leiten. Ich selbst spiele Zenturio und nehme die Leitung aller Abteilungsleiter. Dann besprechen wir uns, Felix übernimmt das Wassersystem, Loic und Luisa werden pflanzen, die Vier Studenten werden Terrassen bauen. Am Abend essen wir Spaggetti und gehen früh schlafen.

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Montag Morgen 07:00. 45 Baramin (Stahlstangen mit Spaten), 40 Spaten, 25 Schaufeln, 2 Rechen und 8 motivierte junge Permakulturisten stehen bereit. Langsam kommen die ersten Eltern, die ersten Gruppen formen sich. Es werden immer mehr. Bis um Neun Uhr sind dann rund Einhundert Menschen am arbeiten. Viele kommen nicht. Noch stimmt die Disziplin nicht, in unserer kleinen Weltretter-Armee.
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Zum Mittag essen wir in der Schulkantine, ein einzigartiger Anblick. Dann Pause und arbeiten bis um halb fünf. Schon ab drei Uhr nachmittags meutern die ersten Arbeiter, es ist an mir als „Centurio“ die Menschen zu disziplinieren. Keine angenehme Arbeit. Aber nun heisst es hart sein, die Gruppe darf auf keinen Fall mit uns spielen.
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Ganz anders Jean Noel, Rivo, Cle und Nono. Sie sind hoch motiviert, hauen so richtig rein und treiben ihre Leute durch ein sehr gutes Vorbild an. Am Abend schauen wir auf ein sehr gutes Ergebnis, hunderte Kubikmeter Erde welche bewegt wurden machen über einhundert Meter Terrasse sichtbar. Felix konnte den ersten grossen Swale fertig stellen und hat bereits Begonnen, den ersten Zulauf in die Strasse zu schnitzen. Wenn es nun regnet, ernten wir bereits Wasser. Und es regnet tatsächlich in der Nacht.

Gemeinsam lernen bei einer unsere Anlagen.

Anhand des ersten Regens besprechen wir, wie die Wassersickergräben (swales) anzulegen sind..

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Nach erholsamem Schlaf, wir haben wirklich eine gute Unterkunft, ist es am nächsten Morgen schön frisch und die Erde feucht und leicht zu bearbeiten. Wieder kommen viele Leute zu spät, einige kommen garnicht, gerne faulenzt der eine oder andere. Wir notieren die zu spät gekommenen. Die Studenten ächzen und lernen zum ersten mal was es heisst, Anführer zu spielen. Keine leichte Aufgabe für sie. Die Sonne brennt unerbittlich während die Spaten an den Eisenstangen immer schwerer werden. Erde auflockern, Erde bewegen, Terrassen ins Niveau bringen. Gute Erde separieren und für später lagern. Auch ich bin nicht auf der Höhe, seit zwei Wochen keinen freien Tag und eine Infektion am Bein macht mir seit Wochen zu schaffen. Wir kommen wieder ein gutes Stück vorran, aber alle haben zu kämpfen. Um halb drei trennt sicht eine Gruppe von der Arbeit und möchte selbstständig nach Hause. Ich hole sie zurück, renne Ihnen geradezu hinterher. Es sind Erwachsene, verhalten sich aber wie pubertierende. Ich hatte dies schon zuvor erlebt. Besonders wenn Weisse dabei sind versuchen sie herauszufinden, wie weit sie gehen können. Ich diszipliniere sie, erkläre der gesamten Gruppe, dass die Arbeitszeit um eine Stunde verlängert wird, und schicke sie wieder zur Arbeit. Kollektivstrafe. Mir bleibt keine andere Wahl. Um halb Sechs dann haben wir es geschafft.

Die Manschaft beim Bau der Terrassen.

Die Manschaft beim Bau der Terrassen.

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Die Gruppe drängelt sich um die Schreiberlinge, welche die Namen aufnehmen und die Hefte austeilen, in welchem Alles über jeden einzelnen Schüler vermerkt ist. So auch Arbeitseinsätze der Eltern. In all diesem Durcheinander ist es eine Herausforderung unser Werkzeug zusammen zu bekommen, zu zählen und zu verräumen. Dann verdamme ich die zu spät gekommenen zu einer weiteren Stunde Arbeit. Protest, aber ich bleibe hart. Mir bleibt keine andere Wahl, will ich nicht, dass die Leute auf unseren Nasen herum tanzen.
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Wir haben viel erreicht, die ersten Abschnitte sind fertig, die ersten Beete angelegt. Morgen können wir einen guten Teil der Gruppe in den hinteren Bereich der Anlage verlegen, wo noch viel Erde zu bewegen ist. Es ist eine unglaubliche logistische Aufgabe. Hunderte Kubimeter Erde zu bewegen, Terrassen auf Niveau bringen, Beete anlegen. Stroh, Kompost und Reissspelzen werden angeliefert. Das Wassersystem muss stimmen, alle Wege müssen angelegt werden. All das möchte koordiniert sein.
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Morgen müssen die ersten Beete fertig werden, sonst schaffen wir es nicht. Freitag um 15:00 müssen wir fertig sein. Heute wurden die ersten Bäume gepflanzt, ich bin dabei Pflanzgut für Maniok, Süsskartoffeln und Zitronengras zu organisieren. Pflanzen und Saatgut für alles andere haben wir aus der Hauptstadt mitgebracht. Mehrmals musste ich heute die Baustelle verlassen um mich hinzulegen. Insgesamt ist der Tag seehr anstrengend gewesen. Ich muss mich noch mit Kathy treffen, Dinge organisieren und besprechen. Die anderen haben Zeit, sich etwas auszuruhen und Gitarre zu spielen. Gleich nach dem Essen fallen wir totmüde ins Bett, unsere abendliche Studienrunde lassen wir ausfallen.
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Der dritte Tag beginnt mit sehr guter Laune von mir, was die anderen anzustecken scheint. Schon vor sieben Uhr sind alle Werkzeuge bereit, ich habe unser Zimmer aufgeräumt und gefegt und sogar meine Wäsche gewaschen. Ich war sehr früh auf.
Die Eltern kommen mehrheitlich pünktlich und sind heute sehr motiviert. Jean Noel beginnt grossflächitg, die Wegesysteme und Beete anzulegen, wir teilen 20 Leute zum Kompost tragen ein, die Beete werden gedüngt, der Mist untergearbeitet und die Beete zum sähen fertig gemacht. Nono konnte bereits gestern seinen Abschnitt beenden und hilft nun mit seiner gewohnten Geschwindigkeit Rivo, den hinteren Teil der Anlage zu gestalten. Wunderbar sieht es aus, wie er mit 20 Mann die Spaten, Metallstangen und Schaufeln schwingt. Er ist ein Naturtalent. Nie zuvor hat er Erde bearbeitet, er kommt aus dem Hotel-Geschäft.

Auf den Nivellierten Terrassen beginnen wir die Wege-Systeme anzulegen.

Auf den nivellierten Terrassen beginnen wir die Wege-Systeme anzulegen.

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Auch Rivo wird richtig gut. Seinen jugendhaften Leichtsinn hat er eingetauscht gegen die ernsthafte Mine eines Mannes. Er Koordiniert drei Terrassen aufs mal, mehr als 40 Mann. Hie und da helfe ich ihm, korrigiere ein bisschen und beantworte seine Fragen. Man glaubt es kaum. Er kommt von Zeit mich zur rufen, um mir Fragen zu stellen und die Techniken zu besprechen. Der Junge Mann macht sich. Er stellt Fragen.
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Als wir vor drei Jahren angefangen haben zusammen zu arbeiten, da war Rivo ein verlorener Junge. Er hatte immer wieder charakterliche Schwierigkeiten, dachte nicht recht mit bei der Arbeit. Er war mehr mit dem Gedanken an andere Dinge beschäftigt. Viele Leute sagten mir, ich solle mit den Älteren zusammen arbeiten. Ich aber bestand darauf, mit einem sehr jungen Team zu starten. Rivo ist der einzige Abkömmling. Es waren auch einige ältere dabei, aber diese haben alle betrogen oder wollten nicht recht arbeiten. Es war viel Arbeit mit Rivo, aber der grosse Vorteil, er war und ist noch Jung und seine Persönlichkeit noch in der Entwicklung. Sehr oft machen wir, was ich Charakterschule nenne. Wenn es Schwierigkeiten gibt, besprechen wir es. Wir reden auch über Vertrauen, Ehrlichkeit und Betrüger. Davon gibt es hier wahrlich genug.
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Die Arbeit beginnt Früchte zu tragen. Rivo lernt was es bedeutet aufrichtig und ernsthaft zu sein. Abends spassen wir, auch zwischendurch. Aber wir wissen, wann es ernst ist. Wir vertrauen uns. Das ist selten in Madagaskar.

Beete fertig zum Sähen und Mulchen.

Beete fertig zum Sähen und Mulchen.

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Fast die Hälfte aller Beete werden heute fertig, auch die Hänge zu grossen Teilen angelegt. Wege durchziehen die Anlage, es ist möglich alle Anpflanzungen bequem zu erreichen, ohne auf Beete treten zu müssen. Für die Madegassen eine Neuheit. Felix kommt sehr gut mit dem Wassersystem vorran. Ein deutscher Ingenieur eben. Loic und Luisa pflanzen fast die Hälfte aller Bäume, die ersten Hänge werden mit Süsskartoffeln (Bodendecker und Hangsicherung), Ananas und anderen Herrlichkeiten bepflanzt und dann gleich gemulcht. Tausende Bündel Heu werden angeliefert, fast dreissig Ochsenkarren mit Mist und sechs Lastwagen Reisspelze. All dieses organische Material wird das Bodenleben aktivieren. Ich selbst renne den ganzen Tag im Kreis durch die Anlage, helfe hier, nehme dort eine Schaufel in die Hand, korrigiere hier, berate dort.

Hier sieht man schön die kreative Ausformung der Terrassen. Im Hintergrund abgeholzte Hügel und Erosion.

Hier sieht man schön die kreative Ausformung der Terrassen. Im Hintergrund abgeholzte Hügel und Erosion.

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Nicht ein einziges mal müssen wir heute Disziplinieren, einige kommen zu spät, werden aber ohne zu murren ihre extra Stunde machen. Es muss sich herum gesprochen haben, das Eis ist gebrochen, die Anständigen haben die Oberhand gewonnen. Die Stimmung ist fantastisch und bleibt so bis kurz vor Schluss der Arbeiten am Freitag. Mit unglaublicher Geschwindigkeit, gleich einer Horde Ameisen, wühlen, schaufeln, tragen und pflanzen über 120 Menschen. Es ist ein sehr motivierender Anblick.

Ochsenkarren liefern Mist und Mulchmaterial.

Ochsenkarren liefern Mist und Mulchmaterial.

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Während wir Arbeiten haben die Lehrer eine pädagogische Woche. Zwei Französinnen sind angereist um den Lehrern die Waldorfpädagogik etwas näher zu bringen. Wir verstehen uns seit dem ersten Tag, Normalerweise machen sie Einsätze in Katastropengebieten wie Lybien nach dem Krieg oder Haiti nach dem Erdbeben. Dort machen sie Kunstprojekte mit traumatisierten Kindern. Die Arbeit hier ist eher die Ausnahme für sie. Ich schätze den Austausch sehr. Wir können auch unsere Arbeit der gesamten Lehrerschaft vorstellen. Stolz erzählen unsere Jungs von den verschiedenen Regionen in Madagaskar, wo wir schon Permakultur gemacht haben. Ich versuche den Lehrern etwas Inspiration mitzugeben. Wir lachen viel und konnten die pädagogische Woche etwas bereichern. Dann gehen wir gleich wieder zur Arbeit.

Kunstvoll sind auch teilweise die Treppen, welche die Anlage durchziehen.

Kunstvoll sind auch teilweise die Treppen, welche die Anlage durchziehen.

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Am Abend ist auch Clement fertig mit seinem Terrassenabschnitt. Die Terrasse ist sehr gut geworden. Morgen werden wir den hinteren Teil fertig machen, da wir die meiste Abeitskraft dort konzentrieren können. Wir entlassen die Leute pünktlich um halb fünf mit einem grossen Lob. Fast hätten wir die Zeit vergessen…
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Der Donnerstag beginnt wieder mit grosser Motivation. Nur Felix ist etwas angeschlagen, und doch steht er steht seinen Mann. Er wird heute mit dem Wassersystem fertig, wie geplant. Zwanzig Leute schleppen Mist und Reisspelz, welches auf den Beeten von weiteren 20 Männern vermischt wird. Die Mischung macht ein gutes CN-Verhältnis (Kohlenstoff/Stickstoff). Sobald die ersten Beete fertig sind, beginnen wir von vorne her die Beete Zu besähen. Hunderte Beete. Auch Luisa und Loic kommen Prima vorran mit dem Pflanzen, heute kommt der Maniok dazu. Grosse Teile der Hänge sind bereits gemulcht, und die Beete, sobald sie besät sind, bekommen ebenfalls eine schützende Strohdecke. Immernoch kommt Karren nach Karren mit Sroh, Mist und Reisspelz. Wir kaufen es von aussen zu. Trotz meiner Infektion am Bein habe ich jede Menge Energie. Das hilft enorm, bei sovielen verschiedenen Gruppen heute. Saat Kontrollieren, Pflanztiefe der Bäume, Menge des Mists, Ladungen kontrollieren… auch brauchen mich die Jungs häufiger, denn nun haben wir die meiste Arbeitskraft auf den hinteren Teil der Anlage konzentriert. Rund sechzig Mann Arbeiten zusammen mit Rivo und Nono. Eine echte Herausforderung. Ein Glück ist die Motivation und die Disziplin ungebrochen hoch.

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Unglaublich, was Menschen mit alleiniger Muskelkraft leisten können.

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Die Terrassen werden fertig bis zum Abend, rund die hälfte der Anlage ist komplett fertig gestellt. Beete, Mist, Spelz, Saat, Pflanzung, Mulch, Wasser- und Wegesysteme. Wir haben eine gute Chance morgen fertig zu werden. Doch zuerst einmal gönnen wir uns ein Bad im nahegelegenen Bach.
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Hochmotiviert gehen wir in unsere abendliche Studienrunde, ich habe Fossilien mitgebracht, wir sprechen über die Herkunft des Lebens, über Geschichte und Kultur. Dann klären wir alles für den letzten Tag, ich zahle die Jungs aus, mache alle Abrechnungen, wir packen schon was möglich ist. Morgen um 16:00 ist Abfahrt, wir vereinbaren uns um 15:00 von der Arbeit zurück zu ziehen, alles fertig zu packen und zu duschen. Dann essen wir, trinken noch einen Rum mit den Französinnen, lauschen Nono und Felix beim Gitarre spielen und gehen dann wieder frühzeitig ins Bett.

Der Grosse obere Swale.

Der grosse obere Swale.

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Schon früh am Morgen kommen die ersten Bündel mit Zitronengras. Sogleich beginnen wir, die Terrassenränder und alle Wegränder mit diesen zu bepflanzen. Das Zitronengras dient als Erosionsschutz und wird einen steten Fluss von Mulch generieren. Tee gibt es auch, aber soviel werden wir wohl niemals trinken. Rivo, Nono und Jean Noel machen sich an den hinteren Teil. Schnell sind die letzten Niveauarbeiten augeführt, die Wege angelegt, die Beete gerichtet und mit Biomasse vermischt. Schon um 10:00 können wir mit dem Sähen beginnen. Nun arbeiten sich die Saatgruppen von beiden Seiten durch die Anlage. Alle freien Arbeiter setzen wir ein, um noch weitere Terrassen zu graben. Die Frauen holen Stroh, sähen, mulchen, pflanzen. Tausende Maniokstöcke werden in die Erde gesteckt, tausende Süsskartoffel-Triebe gesetzt. Unser Ameisenhaufen ist fleissig am werkeln.
Felix, heute wieder voll dabei, bearbeitet den Zulauf zu der Anlage und vergössert damit unsere Wasserkapazität. Luisa und Luic richten die letzten Wege an den Hängen, pflanzen die letzten Bäume und koordinieren das Mulch. Ich wieder zwischendrin und überall.

Sähen, Mulchen, Pflanzen. In dieser Reihenfolge.

Sähen, Mulchen, Pflanzen. In dieser Reihenfolge.

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Ab und zu machen wir Filmsequenzen, wir werden einen Film für YouTube erstellen. Ausserdem beschäftigen mich Besucher. Wir seit drei Tagen eine Gruppe von Aqua Alimenta mit uns, eine andere Organisation, welche über Permakultur lernen wollen. Jeden tag bekommen sie eine Stunde Unterricht, den Rest des Tages helfen sie bei der Arbeit.
Auch kommt die Frau des Bischofs der anglikanischen Kirche. Sie vertreten zehntausende Mitglieder aus ganz Madagaskar. Sie wollen Permakultur in ihre Programme aufnehmen. So nehme ich mir auch für sie die Zeit, alles zu erklären. Sie ist fasziniert und so kann es gut sein, dass es bald zu einer Kooperation kommt. Die Sache spricht sich herum.

Erster Teil fertig!

Erster Teil fertig!

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Zum Mittagessen ist die Anlage grösstenteils fertig gestellt. Alle Arbeiten sind verteilt, keine offenen Posten mehr. Nach der Pause prüfe ich nochmals alles und nehme mir dann ganz in Ruhe die Zeit, einige letzte Bilder zu machen, mit Kathy und den zwei netten Französinnen zu reden, und einfach unser Werk zu geniessen. Ab und zu sähe ich das eine und andere Beet, bespreche Saatkombinationen, prüfe Niveaus, Mulchauflagen und mache den einen und anderen Finish selbst.
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14:20. Ich rufe die Jungs zusammen. 14:40, wir haben alle unsere Werkzeuge abgeräumt und gehen packen, putzen und Duschen, 14:50, die Disziplin verliert sich im Chaos. Fast alle sitzen herum, als die Anführer sich lautlos verabschiedet haben. Alle wichtigen Arbeiten sind erledigt, es gilt noch, das letze Mulch und das Reisspelz zu verteilen. Ich rufe den Leuten zu, dass sie erst gehen können, wenn die Arbeit erledigt ist. Und… dass sie gehen können, sobald es fertig ist. Hätten sie es begriffen, sie wären nach 20 Minuten fertig gewesen. Aber das haben sie nicht.
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15:25. Sie sitzen immernoch. Wir sind mittlerweile geduscht, gepackt, machen letzte Erledigungen. Ich gehe zu den Eltern, erkläre Ihnen in strengem Ton nochmals ihre Aufgabe. “Misy fotoana aho – ich habe Zeit”. Das stimmt zwar ganz und garnicht, aber ich spiele den coolen. “Tsy manin ela tsy vita – mir macht es nichts, wenn ihr lange braucht!”. Auch das stimmt nicht. 15:35. Eine Diskussion beginnt unter den Leuten, irgendwie realisieren sie die Situation so langsam und trollen sich an die Arbeit. 15:55. Wir sind fertig. Mit einem lächeln vergesse ich diese letzte kleine Meuterei. Lustig, die Soziologie einer mittelalterlichen, quasi aristokratischen Gesellschaft zu studieren. Keine Selbstverantwortung. Offensichtliche Lämmer in der Herde. Sie haben noch sovieles zu lernen.
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Letzte Arbeiten im hinteren Teil.

Letzte Arbeiten im hinteren Teil.

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5470 Stück Zitronengras, 380 Ananas, über 5000 Maniokpflanzen, über 10 000 Süsskartoffeltriebe, 380 Baumsetzlinge, 17 Kilo Setzkartoffeln, 1305 Ballen Stroh geliefert, plus einige Hundert von unseren Mitarbeitern. 37 Ochsenkarren mit Mist, 7 Lastwagen mit Reisspelz. Jede Menge Saatgut von Reis, Mais, Bohnen, Hirse, Erdbohnen, Erdnüssen, Krautstiel (Mangold) und vielerlei mehr. Über Siebenhundert Arbeitstage gesamt, rund 250 Kilo Reis für die Mittagessen, sechs Flaschen Bier, eine Flasche Rum und — nicht einer unserer Spaten ist kaputt gegangen.
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Kathy sprach von einem Wunder, soetwas habe sie noch nie gesehen. Wir auch nicht. Inmitten einer Region der absoluten Armut, der Erosion und der Mangelernährung haben wir eine hochproduktive Anlage zur Erzeugung von Lebensmitteln erstellt, mit nicht viel mehr als ein paar Schaufeln und dem Glaube, das nichts unmöglich ist. Diese Anlage kann als Beispiel dienen, wie die ganze Region wieder aufblühen kann.

Die Fertige Anlage. Im Hintergrund die Schule.

Die Fertige Anlage. Im Hintergrund die Schule.

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Während der Woche habe ich eine kleine Gruppe an Leuten bezahlt um Samen in die Erde zu stecken. Mehrere hunderttausend Baumsamen sind nun in den Umliegenden Hügeln, bereit zu keimen, wenn der nächste Regen kommt.

Geschafft!

Geschafft!

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Mit viel Getöse, fast schon pathetisch, halte ich eine letzte Ansprache, bedanke mich ganz besonders und aus ganzem Herzen bei dem Team und entlasse die Eltern in ihren Wohlverdienten Feierabend. 16:05. Emotionale Verabschiedung, wir gehen nun getrennte Wege. 16:12. Zwei Jeeps verlassen die Schule, vollgepackt mit Fahrrädern, Gepäck und unserem Werkzeug. Auf dem Weg in die Hauptstadt zieht der Himmel zu. Über die Nacht wird Zanahary unsere Anlage angiessen.

Nach zwei Wochen kommen wir zur Stipvisite. Alles spriesst und grünt.

Nach zwei Wochen kommen wir zur Stipvisite. Alles spriesst und grünt.

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Unsere Eindrücke als Freiwillige – Von Loic und Luisa

“Für uns war die Zeit, in der wir Teil des Projektes waren sehr eindrucksvoll und bereichernd. Einerseits lernten wir eine für uns anfangs fremde Kultur kennen, da wir mit den Madagassen arbeiteten und mit ihnen lebten. Meist verbrachten wir 24 Stunden am Tag mit ihnen, in denen wir mit ihnen arbeiteten, aßen, Spaziergänge durch den Regenwald unternahmen und unter einem Dach auf Strohsäcken schliefen.
Andererseits wurde uns viel klarer wie wichtig die Arbeit mit den Bauern ist um die letzten Regenwälder Madagaskars zu schützen, denn wir sahen z.B. mit unseren eigenen Augen wie Regenwälder abgebrannt wurden und hier nichts dagegen unternommen wird.
Es ist gut zu wissen, dass die Bauern durch das Projekt genug Nahrung haben, und der Regenwald nachwachsen kann. Nicht zuletzt, weil dadurch dem globalen Klimawandel entgegen gewirkt wird.
Auch die Arbeit an den Schulgärten hat uns gefallen, vor allem, dass wir mit den Eltern der Kinder den Garten zusammen angelegt haben. Es war beeindruckend wie viele Menschen zusammen kamen um mit uns unter viel Anstrengung den Garten fertig zu machen. Jetzt werden die Kinder an dieser Schule jeden Mittag satt und sehen schon von klein auf wie Permakultur funktioniert.
Die Arbeit war für uns teilweise sehr anstrengend, aber sie hat sich auf jeden fall gelohnt. Einerseits, da wir sehr viele Erfahrungen gemacht haben und sich dadurch unsere Lebenseinstellung geändert hat. Andererseits sind wir davon überzeugt, dass sie wichtig ist für eine bessere Zukunft ist. “

 

Loic und Luisa in Sahamamy. Gerade haben Sie eine Treppe fertig gestellt.
Loic und Luisa in Sahamamy. Gerade haben Sie eine Treppe fertig gestellt.

Reise in den Süden

Swale in Andoarena. Er mach fleissig seine Arbeit.

Swale in Andoarena. Er mach fleissig seine Arbeit.

Und nochmals zieht es mich in den Süden. Wir werden nochmals die Anlage in Andoarena besuchen, dort sehen wir einerseits, dass einige unserer Bäumchen angeknabbert werden, andererseits aber finden wir die Swales voller Wasser und die Terrassen gut bewachsen mit Reis, Bohnen und Erdnüssen.

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Nach nur 14 Monaten wächst der Reis. Von nun an wird jedes Jahr die Erde besser.

 

Vor einem Jahr fragten wir die Bauern “können wir hier Reis anbauen?” – “Nein!” war die klare Antwort! “Mais oder Kartoffeln?” – “tsisy – Nein!”

Unsere Terrassen fangen an zu ergrünen, im Hintergrund die Reisfelder und die abgeholzten Berge.

Unsere Terrassen fangen an zu ergrünen, im Hintergrund die Reisfelder und die abgeholzten Berge.

Nun wachsen Mais, Reis, Hafer, Bohnen, Ananas, hunderte Fruchtbäume und sogar ein paar Melonensamen hatte ich in die Erde gesteckt – welche nun freudig wachsen.

Dann fahre ich nach Tuléar, einen alten Freund besuchen, welcher viele Jahre im Dienste der Entwicklung gewirkt hat. Ein kritischer Kopf, der in vielen Dingen abgeklärt ist. Irgendwie findet er aber doch noch freude am meinem jugenhaften, fast schon naiven Optimismus.

Ich bekomme Tipps und Saatgut. Prosopis, eine Baumart für Trockengebiete. Durch einen Kontakt in der Schweiz bekomme ich eine Anfrage für Kooperation im südlichen Trockengebiet, leider finde ich weder Kraft noch Zeit, an diesen sehr abgelegenen Ort zu gehen.

Luftbild der Gegend um Ejeda. Die Siedlungen, leicht geändert, könnten sich cooperativ ins Ökosystem einfügen -- anstatt es zu zerstören.

Luftbild der Gegend um Ejeda. Die Siedlungen, leicht geändert, könnten sich cooperativ ins Ökosystem einfügen — anstatt es zu zerstören.

Doch bringt mich der Aufenthalt im im trockenen Süden auf erste Ideen. Prosopis Hecken gemischt mit anderen Arten, welche die langen Dürreperioden aushalten. Ziegenzucht in diesen Einfriedungen, und Gärten und Felder, welche in der Regenzeit den Ziegenmist nutzen können. Wir werden sehen, was sich umsetzen lässt. Ziegen, Gärten, Felder und ganz wichtig, Brennholz und Kohleproduktion.

Die Trockenwälder des Südens leiden unter überweidung und intensiver Abholzung für Holzkohle und Brennholz. Verbieten lässt sich das nicht. Aber vielleicht ersetzen.

Dann fahre ich nach Ambositra, eine etwas trostlose Stadt, und doch erfreut mich der Besuch. Ein sehr angenehmer älterer Herr, Professor für Ozeanographie und Botanik, hat mich eingeladen. Er ist teil der leitung des Institut Superieure de Technologie (IST) in Ambositra.

Erstes Treffen im ISTA -- wir verstehen uns auf Anhieb. Permakultur wird in Zukunft an dieser Universität gelehrt. Und wir werden sie dorthin bringen.

Erstes Treffen im ISTA — wir verstehen uns auf Anhieb. Permakultur wird in Zukunft an dieser Universität gelehrt. Und wir werden sie dorthin bringen.

Eine Gruppe echter Idealisten haben diese grosse Landwirtschafts-Universität in den letzten Zehn Jahren aus dem Nichts aufgebaut. Gebildete Madegassen, welche aus dem Ausland zurück gekommen sind, um etwas in ihrem Land zu bewegen. Am liebsten hätten sie mich als Lehrer, aber das geht nicht. Gerne aber biete ich ihnen an, Permakultur in Form von Kursen und praktischen Projekten in ihre Uni einzubringen. Erst mit dem Vorstand, dann mit allen Sektionskoordinatoren, besprechen wir mögliche Kooperationen. Die Möglichkeiten sind gross, es sind im Schnitt 1000 Studenten. Ausserdem haben sie ein Netzwerk, welches Zehntausende, wenn nicht hunderttausende Bauern erreichen kann.

Ich lasse ihnen jede menge Samen da, mit welchen sie beginnen können, ein lebendes Inventar zu auszubauen. Sie werden auch ihre Studenten aufmuntern, Baumarten und Saatgut für unsere Freisaatversuche auszumachen. Desweiteren beschliessen wir, eine grosse Farm zusammen aufzubauen. Dafür werden wir nun die Mittel in Europa suchen. In gemeinsamer Vorfreude trennen wir uns, inspiriert, bereit, grosses zu bewegen. Mal sehen, ob es klappt. Oft denke ich an Zanahary.

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Dann erlebe ich noch einen ganz besonderen Moment. Mein Freund nimmt mich mit in seinen Geburtsort. Draussen im Busch, eine Region, in welcher seit Jahrhunderten die Betsileos arbeiten. Mehr als einhundert Reisterrassen übereinander, UNESCO Weltkulturerbe. Hier leben fleissige Menschen. Er zeigt mir eine Maniokstaude. Sie ist über zwei Meter hoch und extrem Dicht – “Drei Monate ist sie alt” sagt er. Normalerweise ist sie nach über einem Jahr noch nicht so dicht.

Dies ist eine "Biotechnologie", welche helfen kann, die Welt zu verändern.

Dies ist eine „Biotechnologie“, welche helfen kann, die Welt zu verändern.

Er hat bereits über 30 Kilo pro Qudratmeter und Jahr geerntet. Das übersteigt alles, was ich bisher kennen gelernt habe. Es wäre ein Hektarertrag von 300 Tonnen. Absoluter Weltrekord. Ich glaube es nicht ganz. Wir werden sehen.

Der Trick ist eigentlich einfach. Er schneidet die Stecklinge an den Wurzel-Knospen ein, und zwar unter und über der Knopse. Dadurch tötet der die Knospe. Der Steckling schüttet Hormone aus, welche das Wachstum hunderter neuer Wurzel-Knospen auslöst – stellt man sie in ein gemisch aus Wasser und Kuhmist. Danach bilden sich hunderte Wurzeln und am oberen Teil bis zu 50 Äste. Jede Wurzel kann eine Maniokknolle werden, findet sie guten, tiefgründig fruchtbaren Boden.

Er hat eine solche Pflanze in einen Kubik Kompost gepflanzt – und 125 Kilo geerntet, auf vier Quadratmetern. Und das nach 12 Monaten anstatt den Normalen 24. Unglaublich. Aber ich fange an es zu begreifen und zu glauben…

Das würde alles bekannte schlagen, für die Produktion solarer Rohstoffe. Maniok, das ist Stärke, welche zu Plastik, Essen, Öl, Ethanol und vielen anderen Stoffen umgewandelt werden kann. Es ist sogar Produktiver als Ölpalmen und Zuckerrohr.

Wir werden sehen.

Zurück in Tana

Wir gehen zu einem Kontakt, welchen ich unterwegs bekommen habe. Er ist einer der höchsten Beamten im Staat. Im Palast des Premierministers. Ohne grosses Blabla eröffne ich ihm unser Problem; Die Korruption um die Abholzung von Menalamba. Bürgermeister, Chef de District, jede menge reicher Leute, der alte Bezirkschef, die Polizei, die Gendamerie, das Ministerium… Alle sind dabei. Ich bitte Ihn um Hilfe, und stelle uns vor. Wir, das Team tany, und zwei Leute von Asity, der Naturschutzorganisation.

Er lacht mich freundlich an, ja, er lacht mich fast aus. Etwa hämisch, oder sarkastisch, antwortet er. Ich kann es nicht ganz einordnen, die Madegassen sind als nicht ganz durchschaubar. Auf jeden Fall ist er ehrlich, und man merkt seinen Frust. Er ist Jurist, Proffessor für Recht. Er kennt sein Metier:

“Madagaskar hat keinen Staat. Ich könnte nun ein Papier aufsetzen, der Premierminister würde es heuchlerisch unterschreiben. Es würde nach Moramanga gesendet – und dort im Mülleimer landen. Spätestens aber, sobald es bei der Polizei als direktive eingeht. Keiner Tut was. Das ganze Staatsprogramm ist heuchlerei. Machnmal wird ein Exempel statuiert, für die Presse, für den Westen. Dann aber passiert nichts weiter. Da steht gross in der Zeitung, dass wieder soundsoviel Rosenholz konfisziert wurde. Alles nur show.”

Er wird etwas ernsthafter, aber ich bekomme den Eindruck, er hält mich für naiv: “Vazaha, Lukas, c’est tous un theatre – es ist alles nur ein Theater, weisser Mann.”

Er hält sich nicht, spricht aus, was er normalerweise für sich halten muss. Wir vertrauen auf unseren gemeinsamen Kontaktmann, beide wissen wir, wir können offen sprechen: “Wir haben keinen Staat. Jeder im Staat bereichert sich selbst, der Rest ist Theater. Madagaskar hat keinen Staat. Wir haben zwar Gesetze, aber keiner setzt sie um.”

Das ist also die Realität. Und der Westen stützt diese Kleptokratie, im Austausch für Rohstoffe und billige Arbeitskräfte in den Fabriken.

Er zeigt mir ein Papier welches er aufgesetzt hat. Eine Studie über die Korruption im Land. Er behält es für sich. Er hat Angst um seinen Posten. Hält den Kopf unten und hält den Mund.

Ein Waldbrand in Menalamba. Er wird drei Wochen lang brennen und rund 50 Hektar Wald zerstören.

Die Wälder brennen, und alle schauen zu. Es wird noch ein langer Weg, bis wir sie stoppen können. Aber auch ein langer Weg beginnt mit dem ersten Schritt!

Dann frage ich ihn eindringlich, ob es denn garnichts geben würde, was wir tun können. Zumindest einen Richter, welcher sich des Falles annehmen würde. Zumindest ein paar gute Leute, irgendwo im Staat, welche Lust hätten, was für ihr Land zu tun. Die gäbe es, hie und da, aber ihnen wären ebenso die Hände gebunden.

Es ist eine Katastrophe. Wir sind wirklich auf uns selbst gestellt. Es ist keine Anarchie, denn An-Archie heisst KEINE Herrschaft. Anarchie ist Selbstorganisation der Bürger. Hier aber haben wir eine willkürliche Kleptokratie – die Herrschaft der Räuber. Und darin gilt das Recht des Stärkeren.

Etwas ernüchtert, ein bisschen mehr abgeklärt, verlassen wir das Haus. Und Gleichzeitig gestärkt, im Wissen, wie wichtig unsere Arbeit ist. Gestärkt auch darin, dass wir es selbst tun müssen. Wir müssen stark werden, und dann für Recht und Ordnung sorgen.

Majunga – der Norden Madagaskars.

Von Antananarivo bis nach Mahajanga im Norden des Landes fährt man sechshundert Kilometer weit durch eine Landschaft ohne Wälder. Nur eine Strecke von etwa 15 Kilometern ist gesäumt von Wald – der Nationalpark Ankarafantsika.

So sah die Landschaft einst aus -- Wald im nationalpark Ankarafantsika

So sah die Landschaft einst aus — Wald im nationalpark Ankarafantsika

Mein Zielgebiet ist ca. 30 Kilometer vor Majunga, eine entwaldete Einöde. Ich sehe Erosionsmuster, welche auf eine Erosion von teilweise über zwei Metern(!) schliessen lassen. Teilweise stehen Büsche auf kleinen Hügeln von 50 Zentimetern, als sie keimten war also die Erde noch 50 Zentimeter höher. An einer Stelle sehe ich eine Runde Erhebung, welche ungefähr das originale Niveau der Erde anzeigt. Es sind knapp drei Meter Erde, welche seit der Abholzung weggespült wurden. Früher wuchs hier ein dichter Wald, heute sind von den über 800 Pflanzenarten noch etwa drei Baumartige übriggeblieben, und eine Palmenart.

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Ein junger Madegasse betrachtet das Werk seiner Vorfahren -- "nach uns die Sintflut" hiess es einst!

Ein junger Madegasse betrachtet das Werk seiner Vorfahren — „nach uns die Sintflut“ hiess es einst!

Ich wohne beim Distriktchef. Meine Aufgabe ist es, die Situation zu analysieren und ein Konzept zu erstellen, wie wir etwas in dieser Region bewegen können. Es herrscht Landflucht, die jungen Leute und teilweise ganze Familien wandern in die Städte und in andere Regionen. Die Erde ist ausgetrocknet, die Sonne brennt unerbittlich den ganzen Tag. 7-8 Monate im Jahr ist kein Regen zu erwarten, so richtigen Regen gibt es nur während 2-3 Monaten. In Ankarafantsika, dem Nationalpark nebenan, findet man das ganze Jahr frisches Wasser und die Vegetation ist stabil. Die Bäume halten dort die Feuchtigkeit über die ganze Trockenzeit. Hier draussen ist es aber unerbittlich geworden. Es gleicht einem Ökozid, dessen Opfer am Schluss auch der Mensch ist. Es erinnert mich an die geschichte Mesopotamiens, wo die Landwirtschaft begonnen hat. Die Entwaldung führt zu Bodenverlust und Dürre, das Leben wird hart und der Frieden unter den Menschen ist gestört. Hier draussen herrscht ein angespanntes Klima, viel wird über die Dahalos geredet, die Räuber, welche Vieh, Hühner und auch mehr und mehr Ernten stehlen.

Die Landschaft sieht grün aus, doch das Gras steht nicht sehr dicht.

Die Landschaft sieht grün aus, doch das Gras steht nicht sehr dicht.

Grosse Herden Kühe essen das nicht sehr dicht stehende Gras. Es wird zwar an manchen Stellen fast drei Meter hoch, und die Landschaft sieht nun in der Regenzeit sehr Grün aus. Dieser schein trügt aber. Bei genauerem Hinsehen erkennt man, dass die meiste Erde nackt ist weil die Gräser mit

Es ist ein bisschen wie in einer Prärie.

Es ist ein bisschen wie in einer Prärie.

rechtem Abstand wachsen. Es sind keine dichten Wiesen wie bei uns. Und so brennt die Sonne direkt auf die sandige Erde und trocknet diese aus.

Die Kühe gehen auch gerne auf die Felder der Bauern, ein alter Konflikt, welcher schon lange die Menschheit beschäftigt. Schon Kain und Abel stritten sich, der eine Viehhirte, der ander Bauer. Nachts höre ich Bauern Lärm machen, sie versuchen das Vieh von den Feldern zu vertreiben. Das macht das Leben nicht einfacher.

Nach der Ernte reichen die Vorräte nicht das ganze Jahr, laut meinem Gastgeber herrscht seit einigen Jahren Hunger während der Trockenzeit. Dazu die Hitze. Zum Glück gibt es noch genügend Quellen für Trinkwasser. Zum Bewässern der Felder reicht es aber nicht.

Hier bin ich also. Und soll eine Lösung finden. Ich mache ausgedehnte Spaziergänge, in steter Begleitung, wegen der Dahalos. Wald. Das ist mein einziger Gedanke. Wie machen wir Wald?

Viel Wald.

Das fertige Konzept enthält eine Schule für Landwirtschaft sowie ein Zentrum zur Entwicklung verschiedener Techniken. Techniken zur Wiederherstellung des Waldes, Techniken für Landwirtschaft. Und wir werden versuchen, Dämme zu bauen, ich hoffe wir werden einigermassen lehmigen Boden finden. Der Boden ist sehr sandig. Und damit baut man nicht sehr gute Dämme.

Es wird sicher kein leichter Job nächstes Jahr wieder zu kommen, die Hitze macht mir schon nach drei Tagen zu schaffen. Hinzu kommt die angespannte soziale Situation. Wenn unser Partner das Konzept aber annimmt und die Mittel findet, dann werden wir uns der Herausforderung stellen. Was auch sonst?

Das krasseste Zuletzt. Der Wald wurde vor ca. 15 Jahren abgeholzt. Wie Heuschrecken haben einige hundert Menschen in nur 15 Jahren Mehrere Zehntausend Hektar Ökozid veranstaltet….

…mir fehlen die Worte wenn ich hier draussen stehe!

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Ausser ein paar Palmen und ein Parr Büschen ist nichts übrig geblieben vom einstigen dichten Wald.

Resumée

Es geht schon lange nicht mehr nur um ein paar letzte Urwälder oder ein paar arme Bauern – auch wenn es hier genau um diese geht. Es geht um die Zukunft der Menschheit. Von uns und von ihnen. Der Direktor des ISTA hat es so nett gesagt; Wir begehen einen “autosuizid collective”, einen kollektiven Selbstmord. Wie die berühmten Bakterien in der Petrischale fressen wir blind unsere Lebensgrundlage auf – und werden dann gemeinsam im Abgrund landen. Das wird für niemanden schön. Auch nicht für die Superreichen, welche glauben, in ihren Inseln des Reichtums geschützt zu sein.

Wir verlieren unsere biologische Grundlage, die Öksoysteme, die Fruchtbarkeit, die Wälder, das Weltklima, welche auf den Wäldern basieren.

Wir ändern sogar die schiere Chemie unserer Weltmeere.

Alles basiert darauf, dass wir die Welt durch die Brille von Dogmas und Glaubensysteme betrachten, dass wir uns künstliche Rollen und Sozialsysteme aufgebaut haben; Wir wollen alle Jemand sein, und vergessen dabei, wer wir sind. Viele Probleme basieren darauf, dass wir in einem System der Herrschaft leben. Wir Menschen machen uns ungleich, spalten uns in Arm und Reich, in machtlos und mächtig, in Schwarz und Weiss und in Nationen. Anstatt in Kooperation leben wir in Konkurrenz. Und dieser Konkurrenzkampf beinhaltet die Logik der Ausbeutung, welche von Oben nach unten weitergeführt wird. Von den Herrschern zur Mittelklasse, von Mittelklasse zu den Armen, und die Armen beuten die Naturvölker und die Natur aus. Der Wald schreit nicht, der Ozean schiesst nicht zurück – noch nicht.

In blindem Zerstörungswahn, in unserem westlichen “Leben”, welches aus Konsum, Karriere und Rentenkasse besteht. In diesem Leben vergessen wir das echte Leben.

Das ist die pessimistische Sicht.

Das positive ist, dass wir das Internet haben. Das wir aufwachen und kommunizieren können. Das gute ist die Wissenschaft, die Vernunft, die Aufklärung, die Bildung und die Philosophie.
Die Regenerationsfähigkeit der Natur übersteigt jedes Vorstellungsvermögen. Wir können uns versöhnen, über die Grenzen von Hautfarbe, Religion, Nationen, Kontinenten und Kultur hinweg ein neues WIR finden. Wir können die Armut und den Reichtum überwinden. Die Herrschaft und die Untertänigkeit. Wir können unser Schicksal in die Hand nehmen.

Wir müssen es aber nicht. Wir können auch weitermachen wie bissher. Jeder einzelne muss selbst entscheiden. Tue, was die dein Herz sagt. Oder lass es.

“Solange Menschen kriechen, werden Menschen herrschen.”
Friedrich Schiller

Noch eine persönliche Note:

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Ich würde gerne weiterhin diese Arbeit in Madagaskar machen. Drei Monate im Jahr Einsatz, in welchem die Arbeiten begutachtet, weiter entwickelt und unsere Freunde in Madagaskar weiter geschult werden können. Bisher habe ich die meiste Arbeit alleine gemacht, das betrifft auch das Fundraising und die Kommunikationsarbeit in Europa. Besonders im letzten Jahr sind mir viele Menschen zur Hilfe geeilt, mehr und mehr entwickelt sich ein Team. All diesen Menschen möchte ich meinen Dank aussprechen, auch allen, mir bekannte und mir unbekannte, die uns Unterstützung in Form von Geld haben zukommen lassen. Vielen Dank.

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Das Volumen der Arbeit hat sich stark vergrössert, die Verantwortung ist gestiegen. Auch haben sich Möglichkeiten und Potenziale entwickelt, welche ich nicht mehr alleine zu stemmen vermag. Um das volle Potential auszuschöpfen, zum Beispiel wirklich tausende und zehntausende Hektar Wald zu sähen, dazu braucht es nun mehr Leute. Vor allem für die Arbeit in Europa. Kommunikation und Fundraising.

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Möchtest du mitmachen und das Projekt aktiv unterstützen, dann melde dich unter maitso@tany.ch

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Vielen Dank!

Aus Madagaskar,

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Lukas und das ganze Team tany!

 

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Im folgenden die älteren Berichte, für all jene, welche sie noch nicht gelesen haben.

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Menalamba – Dezember 2016

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Wie immer fahren wir mit dem Velo raus in den Busch. Die grossen Städte und die Zivilisation lassen wir hinter uns. Nur kurz, eine Stipvisite. Wir müssen unsere alte Station verlassen – politische Intrigen haben uns nun letztendlich dazu veranlasst.

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Unser Umzugskonvoi. Das Bettgestell dient uns als Trage.

Es fühlt sich befreiend an. Den ganzen alten Stress hinter uns lassen und in unser neues Dorf ziehen, wo wir freundlich empfangen werden. Nun gilt es alle Anlagen zu inspizieren und mit den Farmern zu sprechen.

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Rivo unser erster Student, Gärtner und Verantwortlicher fürs Permapartner-Projekt.

Die Grosse überaschung kommt gleich zu Beginn. Rivo, unser Gärtner in dem Schulgarten, Student und Verantwortlicher für das Permapartner-Programm. Rivo hat sein eigenes Land ebenso zu einer Permakulturanlage verwandelt und einen stattlichen Garten angelegt. So finden wir nicht nur sechs, sondern sieben Farmen vor.

Rivo bei seiner neuen Anlage.

Rivo bei seiner neuen Anlage.

Dinat, unser erster Farmer, war in Sachen Terrassenbau etwas Faul. Keine 300 Quadratmeter kamen hinzu. Dafür ist sein neues Haus fertig und alle bisherigen Terrassen sind besät. Da wir gerade am Ende einer Trockenzeit sind, und der Regen ungewöhnlich lange auf sich warten lässt, sieht man leider noch nicht viel Grün. Wahrscheinlich war er auch in Sachen Terrassen faul – oder zumindest gemütlich. Und das ist auch gut so. Denn nun, da der grösste Teil der Anlage fertig ist, ist so eine Permakulturanlage mit sehr wenig Arbeit zu bewirtschaften. Alle paar Wochen Wildkräuter beseitigen, Sähen, mulchen, Ernten. Erdarbeiten fallen quasi komplett aus. Ab und an kann man Dünger ausbringen, sofern man welchen hat. Sonst leisten die Leguminosen und die Ernteabfälle diesen Dienst.

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Die Zuchetti-Ernte kann kommen! Wegen der langen Trockenheit wächst leider noch nicht allzuviel. Das wird sich in den nächsten acht Wochen ändern, denn alles ist bereits besät!

Dinat und Lina, seine Frau, sind zufrieden. Sie haben seit zwei Jahren nicht mehr gebrannt. Es ist ein ganz kleiner Schritt, und doch eine entscheidene Wendung. Wir können die Brandrodung und die Buschfeuer stoppen. Wir können das Leben der Menschen verbessern, ohne moralischen Zeigefinder, ohne grosse Technologie, ohne sie oder ihre Kultur ändern zu wollen. Mit den einfachen madegassichen Schaufeln ist es uns gelungen. Sie können Leben wie zuvor, nur noch etwas gemütlicher. Einen weiteren Vorteil bietet es. Das neue System ist so einfach, dass es keine Landarbeiter mehr benötigt. Die schweren Arbeiten fallen quasi weg. Und so könnte es längerfristig zu einer gerechteren Gesellschaft hier führen. Wir werden sehen.

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Die anderen fünf Farmen sind von sehr gut bis ok, nur einer hat es wirklich noch nicht begriffen. Wirklich Grosses hat keiner geleistet – die Leute hier draussen im tropischen Menalamba sind einfach gemütlich. So gemütlich, dass man sich als Europäer schon manchmal zusammen nehmen muss. Es ist ihr Lifestyle, ihre Kultur. Ich bin nicht gekommen sie zu missionieren. Und wenn ihre Arbeitsmoral diese ist, so ist sie diese. Wenn wir auf hunderte und tausende Jahre hinaus denken, so ist es egal ob sie ein Jahr oder zwei brauchen für ihre Anlage. Es ist wirklich egal. Und es ist fast schon besser, wenn sie recht gemütlich sind. So streben sie danach nicht nach grossem Reichtum und übermässigem Konsum, wir wir das tun.

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Brennender Urwald.

Grosse Brandrodung zum "bestellen des Feldes".

Grosse Brandrodung zum „bestellen des Feldes“.

So sind wir zufrieden mit dem was wir sehen. Vor allem mit dem Fakt, dass die Leute anfangen zu begreifen, wie die Techniken funktionieren. Wir wollen Geist transportieren. Denn nur ein Wandel im Geist hält langfristig.

Ferdinand, einer unserer Bauern, beim Sähen seiner Terrassen. Im Hintergrund die alte Technik. Ferdinand lässt sie hinter sich.

Ferdinand, einer unserer Bauern, beim Sähen seiner Terrassen. Im Hintergrund die alte Technik. Ferdinand lässt sie hinter sich.

Das schönste was wir sehen konnten war neben der Anlage von Rivo. Ein paar Kinder haben mit ihren kleinen Schaufeln kleine Terrassen und Swales angelegt. Sie haben “Permakultur” gespielt. Sie wachsen nun also wie selbstverständlich mit den neuen Techniken auf. Das wirkt. Sie werden auch nicht mehr brennen. Der Teufelskreis kann also durchbrochen werden.

Rivos Bruder und sein Freund bei Ihren Spielterrassen.

Rivos Bruder und sein Freund bei Ihren Spielterrassen.

Ambohiborosy – TENAQUIP School

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Seit nun etwa einem Jahr beraten wir eine Schule direkt neben der Hauptstadt Antananarivo. Es ist eine Schule gegründet und finanziert von einer kanadischen Hilfsorganisation. Sie sind inspiriert von Rudolf Steiner, und so haben wir uns gleich gut verstanden. Sie haben einen grossen Schulgarten, der nun zu einer Permakulturanlage umgebaut wird. Sie sind schon super beim Pflanzen und sehr gut in Sachen Kompost. Dieses Engament wird aber immer wieder von der Erosion zunichte gemacht. Die riesige Ressource Wasser, welche durch ihr Gelände fliesst, ist leider eine Quelle der Zerstörung. Dies zu ändern ist unsere erste Aufgabe. Ein riesen Swale mit einem Fassungsvermögen von mehreren hundertausend Liter Wasser ist unser erster Schritt. Er kann bei nur einem Starkregen gefüllt werden. Darunter liegt der Garten, welcher von nun an mit dem Wasser gedüngt anstatt davon zerstört zu werden. Wasser ist der wichtigste Dünger – was vielen entgeht.

Der Grosse Swale unterhalb der Strasse. Er erhält abflusswasser von mindestens 15 Hektaren Land.

Der Grosse Swale unterhalb der Strasse. Er erhält abflusswasser von mindestens 15 Hektaren Land.

Sodann bauen wir Terrassen unter dem Swale, welche für die Produktion von Gemüse und Feldfrüchten eingesetzt werden kann.

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Der Grosse Swale und unterhalb die erste Terrasse.

Der Gärtner versteht schon sehr gut worum es geht, und so schaufelt er fleissig zusammen mit Trupps aus der Elternschafft die neue Anlage. Der Swale ist bereits fertig gestellt und auch im grossen und ganzen Korrekt. Nur die Überlaufsysteme sind noch nicht wirklich vorhanden. Das zu lernen ist auch recht abstrakt, wenn man es nicht öfters bei Regen gesehen hat. Auch hier ist gerade das Ende der Trockenzeit.

Zusammen mit Eltern der Schulkinder graben wir Terrassen.

Zusammen mit Eltern der Schulkinder graben wir Terrassen.

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Wir planieren und lernen, ein Wegesystem zu bauen, welches gleichzeitig die Terrasse vor Überflutung schützt und als Retentionsraum die Terrasse bewässert. (sie unten)

Wir beraumen eine gemeinsame Aktion mit allen Eltern an, welche vorraussichtlich im Januar stattfinden wird. Diese sollte helfen, den ersten Grossen Teil der Anlage fertig zu stellen.

Bald also wieder neues!

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Andoarena – Finanarantsoa

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Unser trockener Hügel.

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Menalamba ist am Rande der Zivilisation, oder besser gesagt am Anfang. Genau an der Brandschneise zum Urwald, wo die Landnahme beginnt. Andoarena ist an dessen Ende. Hier stellen wir uns der totalen Zerstörung. Einem Stück Land, welches schon länger nichtmehr bewirtschaftet wird. Es ist total erodiert; hart, trocken, unfruchtbar. Diesem Stück Land versuchen wir neues Leben einzuhauchen. Es ist eine grosse Herausforderung und harte Arbeit.

So sah der Hügel einst aus.

So sah der Hügel einst aus.

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Angefangen haben wir im Dezember 2015. Bei unserem jetzigen Besuch ist die Anlage fast fertig gestellt. Nun benötigt es einen Feinschliff und viele Bäume. Wir beschliessen 500 Bäume zu Pflanzen. 600 werden dann geliefert. Es wird eine krasse Arbeit sein, die Erde ist hart und wir brauchen 80 Zentimeter tiefe Löcher. Wir haben nicht genug gutes Werkzeug und so werden wir viele Leute benötigen. Ausserdem braucht es jede Menge Mulch, Bambus und kleine Sträucher. Jedes Loch bekommt Krautmaterial und Stroh unten in das Loch, bevor es mit Erde/Kompost gemisch gefüllt wird. In diesem Kraut bildet sich ein Hohlraum, in welchem sich Wasser sammeln kann. Dass Wasser wird durch Bambusröhren hineingegossen. Somit können die Bäume auf 80 Zentimeter tiefe gegossen werden. Eine Technik, um die Wurzeln zu tiefem Wachsum zu bewegen und die Verdunstung zu verhindern. Giesst man die Bäume an der Oberfläche, so wachsen die Wurzeln in gerade jener Erdschicht, welche als erstes austrocknet. Das Überleben die Bäume nicht. Die Wurzeln müssen so schnell wie möglich nach unten wachsen, wo sie alsbald auch die Bodenfeuchte und das Grundwasser finden.

Alles, was ein Pflanzloch benötigt. Gesträuch, Stroh, Bambus, Mist, Erde. Ach ja, und 20 Liter Wasser pro Baum, 10 Liter vor Pflanzung, 10 Liter wenn eingepflanzt.

Alles, was ein Pflanzloch benötigt. Gesträuch, Stroh, Bambus, Mist, Erde. Ach ja, und 20 Liter Wasser pro Baum, 10 Liter vor Pflanzung, 10 Liter wenn eingepflanzt.

Der oberste Swale und darunter eine fast fertige Terrasse. Es wurde bereits Mist zum einarbeiten gebracht.

Der oberste Swale und darunter eine fast fertige Terrasse. Es wurde bereits Mist zum einarbeiten gebracht.

Hier wird das neue Wege System gut sichtbar. In ihm können grosse Mengen Wasser versickern, doch gleichzeitig werden Beete nicht überflutet.

Hier wird das neue Wege System gut sichtbar. In ihm können grosse Mengen Wasser versickern, doch gleichzeitig werden Beete nicht überflutet. Die Terrassen sin leicht Hangseitig geneigt.

Die ganze Anlage ersteckt sich über rund einen Hektar Land. Sie besteht aus drei grossen Swales und sechs grossen Terrassen. Wie immer werden die Hänge zwischen den Terrassen und den Swales mit Bäumen und Sträuchern bepflanzt, während die Terrassen mit einjährigen Kulturen bewirtschaftet werden. Diese erosionsfreie Anbautechnik verbindet die Vorteile des Waldes mit den Bedürnissen des Feldbaus. Die Anlage wird sodann mit Wassersammelgräben an die umliegen Gelände angeschlossen, um das dort anfallende Abflusswasser zu nutzen.

Fertig gesät und gemulcht.

Fertig gesät und gemulcht.

Nun, der Plan steht, aber uns bleiben nur zwei Tage. So rechnen wir aus, wir bräuchten 60 Arbeiter. Jeder mit eigener Schaufel und Sichel. Wir gehen also rum und reden mit den Leuten: “Alle Leute arbeiten im Strassenbau, es gibt nicht genug Arbeiter!”.

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“Mhh…”, denke ich, “irgendwie muss man diese doch locken können.” So frage ich einen interessierten, wieviel Reis er denn gerne hätte zum Mittag. “Ray sy tapany kapoaka”, eineinhalb Milchbüchsen, die lokale Masseinheit. “Tsy manin!” sage ich, „Kein Problem!“. Seine Augen leuchten und die Diskussion wendet sich. Zusammen mit einer guten Portion Bohnen und einen sehr guten Tageslohn beginnt sich die Sache herumzusprechen. Ob er nich noch Freunde mitbringen kann, frägt einer. “Klar!”, erwiedern wir, “Wieviele?”. “Einhundert”. “Vierzig, nicht mehr!”, sage ich, und hoffe auf den nächsten Tag. Es kommen neunzig!

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Unser Trupp mit Schauffeln und haarigem Germanen in der Mitte. Danke Felix!

Ein Teil der Arbeiter beim schaffen.

Ein Teil der Arbeiter beim schaffen.

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Neunzig Leute haben Hunger. 15 Kilo Bohnen und rund 40 Kilo Reis

So haben wir also in Zwei Tagen mit neunzig und einem weiteren tag mit rund 40 Personen die Anlage komplett bepflanzt, gemulcht, gedüngt und die Bäume alle bis in die Tiefe Bewässert. Das waren rund 1500 Baumbusstöcke, 300 m³ Mulchstroh, hunderte Säcke von Mist, welche von einem Kilometer weiter geholt werden mussten, und rund 1500 Eimer Wasser. Dazum kamen die Erdarbeiten von 500 Pflanzlöchern und Steinharte Erde und die Fertigstellung von drei Sammelgräben und die Unterteilung von drei grossen Terrassen. Alle Sechs Terrassen und alle Hänge wurden noch besät, gedüngt und die ganze Anlage gemulcht.

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Viele Hände, schnelles Ende!

Wir alle waren freudig und total erschöpft am Ende. Nun hoffen wir auf Regen.

Feierabend. Die Truppe marschiert nach Hause.

Feierabend. Die Truppe marschiert nach Hause. Man achte auf die Mannschaft weiter vorne…

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Unser Hügel. Bye bye und bis zum nächsten mal!

Zuletzt noch ein Danke an unsere fleissigen zwei Studenten. Unsere grösste Aufgabe für dieses Jahr ist es, diese zwei Jungs auszubilden, dass sie selbständig Permakulturfarmen bauen können.

Rivo und Jean-Noel - zwei Busch-Kids die Permi-Karriere machen!

Rivo und Jean-Noel – zwei Busch-Kids die Permi-Karriere machen!

Frohe Weihnachten an alle,

Lukas

März 2017

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Seit rund zwei Monaten keine Neuigkeiten mehr. Nicht, dass es nichts neues gegeben hätte, es war einfach so ein dichtes Programm, dass ich nicht zum schreiben kam. Nun aber folgt ein ausführlicher Bericht. Ich freue mich, wenn ihr euch die Zeit für die Lektüre nehmt.

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Manakara – Weihnachtsurlaub.

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Wenn ein Weltretter schreibt, er mache Urlaub, dann meint er damit, er legt die die Schaufel hin und kümmert sich mal um seinen Papierkram. Im Urlaub schrieb ich die letzten Zeilen an euch. Ich hatte aber durchaus auch etwas Zeit in meinem Bungalow, für schlafen, relaxen, essen, ein Buch lesen (über Permakultur – was sonst). Desweiteren habe ich Samen gesammelt (siehe weiter unten) und mich mit Philosophie beschäftigt.

Da wir Entwicklungshilfe machen, beschäftigt mich immer wieder die Frage, wie dies zu tun sei, und ob wir das richtige tun. Offensichtlich für alle, die hier leben, geht die meiste Entwicklungshilfe schief. Das hat viele Gründe. Hier in Manakara ist ein besonders schönes Beispiel:

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Die Brücke verbindet Manakara mit der Insel Manakara be. Oder sagen wir, verband die beiden Landteile, welche durch den Kanal de Pangalan getrennt sind. Solch eine Brücke hält micht richtiger Instandhaltung Jahrhunderte. Ein berümtes Beispiel ist die Golden Gate Bridge. Stahlträger und Nieten bzw. Schrauben. Das hält ewig – wenn die Brücke regelmässig gereinigt und frisch gestrichen wird.

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Es ist eine der besten Technologien, welche wir im Industriezeitalter in Sachen Brücken anzubieten haben. Viel besser, als zum Beispiel Stahl-Beton Brücken. Sie sind viel besser als Holzbrücken, und auch als Panton-Brücken. Lediglich massive Natursteinbrücken halten länger (bis heute stehen noch solche Brücken der Römer und Brücken aus dem Mittelalter). Technologie entpringt dem Geist, entspricht einer gewissen Geisteshaltung und dient immer, Bedürfnisse einer Kultur in ihrer Umgebung leichter zu erfüllen. Zum Beispiel das Bedürfniss, über einen Fluss zu kommen. Jede Kultur erfindet Technologien. Und mit Ihnen, entwickelt sich der Geist. Man kann auch sagen, dass in jeder Technologie Geist und Kultur steckt.

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Wenn wir nun unsere europäischen Technologien in ein anderes Land stellen, wie Brücken, Pumpen, Häuser, politische Systeme (soziale Technologie), Waffen, Autos… dann steckt in diesen Technologien weiterhin unser Geist. Allerdings müssen die beglückten nicht unbedingt unsere Kultur haben. Nicht unbedingt unser Geist. Und eventuell funktionieren dann die Technologien nicht so wie bei uns.

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Die Brücke in Manakara, sie braucht Instandhaltung. Dies wiederum braucht Vorrausschau, Kapitalrückstellung und eine kommunale Organisation. Alles Dinge, die in Manakara im Geist und in der Kultur der Menschen eher NICHT vorhanden ist. Wir haben die Technologie geliefert, nicht aber den Geist, um diese aufrecht zu erhalten. Und so haben die Madegassen die Technologie zwar fleissig benützt, bis eines Tages ein Laswagen eingekracht ist und hunderte Autos auf Manakara Be festsassen.

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Manche Europäer sagen bis heute, die Madegassen seien dumm. Das sind sind aus unserer Perspektive auch. Aber im Prinzip haben sie die gleichen Anlagen wie wir, sind Homo Sapiens und haben das gleiche plastische Gehirn. Sie nutzen und trainieren es aber anders. Seit vielen Jahrtausenden entwickeln wir uns unabhängig. Gleich nachdem die Brücke eingestürzt war kamen Madegassen mit ihren kleinen Booten und machten ein Geschäft aus dem Transport der Menschen von einem Ufer zum anderen. Diese Boote stellen sie selbst her, schon ein kleines Kind kann solch ein Boot sicher über den Kanal steuern und im Jugendalter lernen sie auf diesen Nussschalen auf Meer hinaus zu fahren, bei Wellen und starker Strömung, um zu fischen. Die kleinen Boote sind eine prima angepasste Technologie, sie ist nachhaltig, umweltfreundlich, aus lokalen Ressourcen. Erneuerbar und dient genau den Bedürfnissen der Menschen. Transport, Nahrungsbeschaffung, Spielzeug. Es ist eine sehr intelligente Technologie. Einer von uns Europäern würde sich nicht in solch ein Bootchen setzen können um raus auf Meer zu paddeln. Kläglich würden wir kentern und mit der Strömung auf offene Meer gespült werden.

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So dumm die Weissen, würden sich die Madegassen denken… oder auch nicht, weil sie nicht so arrogant sind wie Europäer.

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Diese Beispiele geben mir immer wieder zu denken, was und wie ich genau mache. Was soll ich Ihnen zeigen, wie sie zu leben haben, wenn sie doch selbst einen eigenen Lebensstil haben? Sollte ich mich nicht eher dazu setzen, eine Schüssel Reis nehmen und zuhören?

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Nun, zwei Dinge lassen mich weiter machen:

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1. Wir Europäer haben viel Kaputt gemacht und tun dies bis heute. Da gilt es Schadensbegrenzung zu machen.

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2. Wir Europäer haben dank unserer Kultur einen globaleren und langfristigeren Blickwinkel, ausserdem haben wir die Fähigkeit des kreativen, schaffenden Geistes (Ingenieurskunst). Wir können gewisse Anregungen geben, um die schlimmsten Folgen ihres Verhaltens zu verhindern (Erosion, totale Abholzung, Überfischung…).

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Wie sie ihr leben gestalten, was wie am Ende anpflanzen und essen, wie sie Ihre Häuser und Beziehungen gestalten. Das ist wirklich nicht unsere Sache.

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Wir haben eine neue Sicht auf die Dinge. Wir möchten uns nicht mehr über die anderen Stellen, wie dies andere Europäer getan haben und immernoch tun. Wir möchten kooperieren und in Austausch treten.

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Andoarena – Januar 2017

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Nach der Weihnachtspause und rund zwei Wochen Zeit zum Ausspannen, Berichte schreiben und neue Gedanken fassen, geht es Ende Dezember wieder nach Andoarena. Das ist unser Einsatzort im Südlichen Hochland. Ich feiere Sylvester im Busch mit “meiner” Familie. Es ist eine phantastische Feier, im Zwielicht der LED Lampen, mit reichhaltigem Essen, einem guten Angebot an madegassischen Rum und einem rauschenden Radio, welches immer wieder unterbricht, wenn es in der nahen Stadt einen Stromausfall hat.

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Ich habe auch eine kleine Stereo-Anlage dabei, mit tausenden Liedern internationaler Musik. Blues, Salsa, Hip-Hop, Rock… für jeden was dabei. Nur eben nicht für die Madegassen. Sie ziehen ihre “Mozika Gasy” aus ihrem rausche-Radio vor. Und so tanzen wir wie wild bis tief in die Nacht.

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Am nächsten Tag lasse ich es mir nicht nehmen gleich loszulegen. Zuerst flitze ich zu unserer Permakultur-Anlage. Letzte Nacht hat es zum ersten mal seit längerem geregnet. Und siehe da, die Swales und die Terrassen haben Wasser! Die Technologie funktioniert, sie wurde mit madegassischem Werkzeug und Handwerkskunst erbaut und es besteht eine gewisse Chance, dass die Menschen sie verstehen und in ihre Kultur übernehmen. Und… die Anlagen, welche wir gebaut haben, die gehen nicht mehr Kaputt. Sie sind von alleine stabil. Diese Gräben sammeln auch in hundert Jahren noch Wasser. Ich bin zufrieden und lasse die Anlage hinter mir.

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Dann mache ich Recherchen in der Gegend, spreche mit unseren neuen Partnerbauern (mehr dazu unter: www.permapartner.org) und löse so das eine und andere Problem, welches sich ergeben hat. Wir hatten im vorrigen Jahr zwei Bauern in dieser Region. Beides Faulenzer, einer sogar ein Betrüger. Diese gilt es zu ersetzen. Bei unserer Baumpflanzaktion in Dezember haben wir aber gute Leute kennengelernt, gesehen, wer gut arbeitet – und für unser Programm auserkoren.

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Allen vorran Hughe. Ein anständiger, starker und sehr fleissiger Mann. Er ergreift Initiative und versteht, worum es bei der Arbeit geht. Er und vier weitere bilden ein Team von fünf Leuten, welche nun bei sich zuhause Terrassen bauen und Permakultur betreiben. Insgesamt werden es neun Bauern in der Region. Weit mehr, als ursprünglich geplant. Noch gibt es keine Partner aus Europa, die werden aber schon kommen. Wir vertrauen auf Zanahary, den wahren Gott der Madegassen.

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Hughe! Starker Betsileo, fleissig und aufrichtig!

Je mehr ich die Sprache der Menschen spreche, desto mehr habe ich Einblick in die Seele und die Philosophie der Menschen. Ihr höheres Wesen, welches wir als Gott bezeichnen würden, wurde durch die Kolonisierung ausgetauscht. Aus Zanahary wurde Andriana-manitra. Aber ein Andriana ist ein Adliger, kein Gott.

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Andriana, die Adligen, Hova, die freien Bürger, und Andevo, die Sklaven. So war einst die soziale Ordnung Madagaskars. Die Aristokratie wurde nicht wie bei uns durch eine bürgerliche Revolution beendet, sondern durch die Kolonisation. So hat sich auch nie der Geist der Menschen befreit. Und bis heute hat sich ein extremes Selbstverständnis für hyrarchische Ordnung erhalten. Die meisten Menschen sind sehr untertänig (aber leider nicht loyal). Ich als Weisser bekomme das sehr stark zu spüren, ich bin ein sehr “hohes” Wesen in ihrem Verständnis. Jeder hofiert uns. Teilweise offentsichtlich vordergründig, mit einer tiefen Abneigung dahinter.

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Wenn ich mich als Deutscher erkenntlich gebe, also kein Franzose bin, verschwindet diese Abneigung meistens. Das hilft.

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Die Hyrarchie der Madegassen basiert nicht mehr unbedingt auf der Herkunft, sondern eher auf Eigentum, Geld, Position im Staatsapparat oder Verwandschaft mit demselben. Auffällig ist aber, dass oftmals alte Andriana-Familien eben diese guten Positionen besetzen. Fast alle bisherigen Präsidenten waren Andriana. Landbesitz, Bildung und Beziehungen helfen dabei.

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Mit der Kolonialisierung wurde viel Zerstört in dem Land. Die aufrichtigen Andriana wurden verfolgt, entmachtet und ermordet, während andere Adlige mit den Weissen kollaborierten. Wie ein alter Andriana mir erzählt, gab es “Andriana tsara” und “Andriana ratsy”, also gute und schlechte Adlige. Klar, die schlechten haben mit den Weissen kollaboriert, das Volk verraten und sich am Ende sogar zu Gott beflügelt gefühlt – Andriana Manitra – der wohlriechende Adlige.

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Heute liest man in der neuen Religion, der Bibel, Andriamanitra als Name Gottes, und nicht Zanahary. Die Adligen haben sich wirklich vergöttlicht.

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In Wirklichkeit wurden sie alle zu Andevo der Weissen, zu Sklaven und Sklavenaufsehern. Die Einführung des Geldes, von Steuern und Eigentumsrecht; Von Polizei, Militär und westlicher Verwaltung, vor allem aber der neuen Religion, hat dem Volksglauben, dem Selbstwertgefühl und der Eigenständigkeit der Menschen den Rest gegeben. Bis heute wird jeder, der sich wirklich fürs Volk einsetzt, von den herrschenden Eliten mit Unterstützung der westlichen Mächte elimininert. Zumindest aber wird es den Anständigen Menschen sehr schwer gemacht. Bis heute ist Madagaskar, wie soviele andere Länder, Kolonie des Westens. Kolonisiert durch Medien, internationale Verträge, das Zentralbanksystem, Bildung der Eliten im Westen und nicht zuletzt durch direkte Gewalt und Einflussnahme unserer Geheimdienste und Militärs.

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Es ist kein besonderes Geheimnis. Eigentlich weis es jeder hier, mit auch nur wenig politischer Bildung. Und das ist schön hier. Alles ist recht transparent. Keiner streitet es ab. Es braucht keine Verschwörungs-Fahndung. Die Korruption ist offen sichtbar. Noam Chomsky aus den USA hat es folgendermassen beschrieben: Die USA stehen ganz oben als imperiale Macht, die Nato-Staaten sind die Vasallen, welche Tribut und Truppen zu stellen haben, und die “Dritte Welt” sind die Kolonien, welche ganz unten stehen, Rohstoffe und Sklaven liefern. Die Achse China-Russland ist der Konkurrent, welchen es klein zu halten gilt. Und all das ist wichtig für uns in der Entwicklungshilfe. Denn in diesem System ist keine ernsthafte Hilfe von “oben” und “aussen” zu erwarten. Und noch wichtiger ist es, zu verstehen, dass wir hier in Madagaskar in einer Aristokratie leben.

"Arbeitssklave", für diese Bananen bekommt er 2,50€ Es sind deutlich über 50 Kilo. Er Schleppt sie 4 Kilometer den Hang herunter, nicht zu erwähnen, dass er sie natürlich auch anpflanzen muss.

„Arbeitssklave“, für diese Bananen bekommt er 2,50€ Es sind deutlich über 50 Kilo. Er Schleppt sie 4 Kilometer den Hang herunter, nicht zu erwähnen, dass er sie zuvor natürlich auch anpflanzen muss.

Alter Adel und neuer Geldadel beherrschen dieses eigentlich sehr reiche Land. Dadurch wird die Mehrheit der Bevölkerung Arm, weil einfach jeglicher erwirtschafteter Wohlstand gleich vom Adel konfisziert wird. Das geht los bei der Reisernte, welche durch ein fieses System von Lageraltung und Handel geklaut wird, über die Minen, welche am Volk vorbei ausgebeutet werden, bis hin zu Steuereinnahmen, welche direkt abgeschöpft werden, ohne dass es wirklich ausreichende Staatsdienste geben würde. Dadurch fehlt es an öffentlichem Bildungswesen, Gesundheitswesen, Sozialsystemen, Rechtsstaat, Strassen, Brücken…

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Man stelle sich das dunkle Mittelalter in Europa vor. Aristokratie, Leibeigenschaft, Tagelöhner. Die Mehrhheit der Menschen in prekärer Lage. Arm, unterernährt und in hygienisch schlechtem Zustand. Wenn in diese Situation ein Chinese zu Besuch gekommen wäre – kultiviert und aus einer Gesellschaft, in welcher deutlich mehr Geschäftsfreiheit und Breitenwohlstand bestand, er hätte sich die Hände über dem Kopf zusammen geschlagen. “Diese primitiven, und all diese Armut.” Vielleicht hätte er beschlossen zu helfen. Da der Chinese aus der Literatur nur Latein gelernt hätte, hätte er nur mit den Adligen und Kirchenleuten sprechen können (so wie hier in Madagaskar die Weissen mehrheitlich nur französisch sprechen und somit fast nur mit dem Adel kommunizieren können, aber nicht mit dem normalen Volk).

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Die Adligen mögen dem Chinesen wohl mit heuchlerischer Aufmerksamkeit gefolgt sein, ohne zu wiedersprechen, ohne zu erwähnen, dass die Aristokratie, also sie selbst, der Grund für die Armut sind. Bestätigend “ja, das ist wirklich schlimm, dass mit der Armut. Die Leute haben einfach nicht genug…” Mit Blick auf auf den Reichtum des Chinesen, welchen Sie interessant finden. Der Chinese bietet an zu helfen, und bestätigte grosse Mengen an Gold in einer Truhe dabei zu haben. Die Adligen sind erquickt, und sagen dem Chinesen sofort zu, alles zu tun, um die Armut zu beenden.

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Zufrieden lässt der Chinese die Truhe voller Gold bei dem Adelsstand und reist nach Hause, im Glauben, nun ein “guter Mensch” zu sein. In Wirklichkeit aber nutzt der Adel das Gold für sich, und kann damit die eigene Stellung ausbauen. Die Entwicklungshilfe wird zum Entwicklungshemmnis. Und jedes Jahr kommt nun nach China ein Bericht, in welchem die Adligen schreiben, wie gut es vorran ginge: “…doch die Arbeit wäre sehr herausfordernd und benötige deutlich mehr Gold, um wirklich Erfolg haben zu können.”

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Entwicklungshilfe ist, wenn die armen Menschen der reichen Länder den reichen Menschen der armen Länder Geld geben.”

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Auch dies gehört zu den Gründen, warum die meiste Entwicklungshilfe in die Hose geht, oder sagen wir, in die Taschen der Korruption.

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Und so lernen wir fleissig Madegassisch, leben mit den armen Menschen zusammen, auch wenn es nicht immer sehr angenehm ist, und passen sehr genau auf, wem wir was geben. Wir wollen echte Hova unterstützen, und Andevo zu Hova machen. Manch ein vorheriger Tagelöhner ist Permapartner. Und wird damit zum eigenständigen Bauern.

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Entwicklungshilfe ist weit mehr, als einfach Dinge zu verteilen. Es ist die Konfrontation mit einem sehr, sehr alten System.

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An unserer Anlage hier in Andoarena gibt es noch ein paar Kleinigkeiten zu machen, im Allgemeinen ist die Anlage aber sehr schön geworden. Reis, Bohnen, Soja und Mais sind freudig am spriessen. Unsere Fruchtbäume wachsen gut an und ich stelle mir verträumt den Hügel vor, wenn die Bäume gross sind.

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Stolzer Kämpfer für die Zukunft. Echte Helden nehmen kein Gewehr in die Hand, sondern einen Spaten!

Wir können das gemeine Volk auf ökonomisch stabile Füsse stellen. Wenn wir bei ihnen sind. Wenn wir mit ihnen zusammen arbeiten. Wenn wir ihre Sprache sprechen. Und so hoffen wir, dass sie wieder zu Selbstvertrauen finden, zu ihren kulturellen Wurzeln, zu Zanahary.

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Zanahary, danke für deine Unterstützung!

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Der Freisaatversuch:

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Wir machen nun Wald.

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Als wir die Bäume in Andoarena gepflanzt haben, da habe ich angefangen darüber nachzudenken, wieviel Arbeit es ist, Wald zu pflanzen. Wenn wir mit 60 Leuten 600 Bäume in 2 Tagen Pflanzen (die anderen hatten andere Aufgaben), dann braucht es für einen Wald unendlich viele Leute und dementsprechend Mittel. Aus ökonomischer Sicht ist Aufforstung mittels Baumschulen und Pflanzung exrem aufwendig und damit teuer. Selbst wenn wir es nicht so aufwendig machen, keine so tiefen Löcher, kein Kompost… es ist immernoch extrem viel Arbeit, wenn man an hundertausend Bäume denkt, was ja auch nicht mehr als hundert Hektar sind. Die Bäume müssen in Baumschulen angezogen werden, dann ins Feld transportiert, gepflanzt und bewässert werden. Und dann ist es immernoch problematisch, dass die kleinen auch wirklich durch die Trockenzeit kommen. Es gibt Arten, die können es, so Pinien und Eucalyptus, und so sehen wir auch fast nur Aufforstungen mit Pinien und Eucalyptus. Beides Arten, welche ökologisch nicht besonders sind – Eucalyptus wirkt geradezu destruktiv auf die Ökologie. Durch Phytonzide (Gifte) und enormen Wasserverbauch.

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Brandrodung am Rand einer der letzen Urwälder Madagaskars -- und der Welt.

Brandrodung am Rand einer der letzen Urwälder Madagaskars — und der Welt.

Madagaskar hat etwa 50 Millionen Hektar Land, welches aufgeforstet werden muss. Schafft man es für sagenhafte 20 Cent einen Baum zu Pflanzen, dann kostet es immernoch 10 Milliarden Euro, die Insel wieder zu begrünen. Pro Hektar 200 €. Ich habe dieses Geld grade nicht locker.

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Zum Vergleich; Die Schweiz wendet jedes Jahr vier Milliarden Schweizer Franken für Entwicklungshilfe auf. Zwei Milliarden Privat, zwei von Staatlicher Seite. Man müsste also seeehr erfolgreich Geld sammeln, um einen grossen Wald zu schaffen.

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Warum eigentlich Wald machen?

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Nun, Bäume regenerieren den Boden, halten den Regen auf, beenden die Erosion, nähren das Grundwasser. Sie liefern Holz, Nahrung und viele andere Stoffe, welche nutzbar sind. Dazu sind sie schön und schaffen eine lebendige Umgebung. In einer Wüste lebt es sich nicht so gut.

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Wüste oder Wald? Wenn Sie dieses Bild betrachten, was denken Sie, haben die zwei Seiten für einen Klimaeinfluss?

Dank Bäumen gibt es Essen, klare Luft, klare Quellen und saubere Flüsse.

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Vielleicht aber am wichtigsten für uns heute ist die Klimawirksamkeit von Bäumen und von Wäldern. Bäume nehmen Sonnenlicht auf, bilden Zucker und verdampfen Wasser. Dadurch sinkt die Temperatur (im Vergleich zu keinem Wald) und die Atmosphäre reichert sich mit Wasser an. Dieses Wasser bildet dann Wolken, welche die Erde weiter beschatten. Wasserdampf hält und transportiert unmengen an Wärmeenergie. Dieser Effekt wird ausgleichend zwischen Tag und Nacht, Sommer und Winter und zwischen verschiedenen Regionen, sobald Wind den Wasserdampf bewegt. Dies kann kühlend wie auch wärmend wirken. Wasserdampf gleicht Temperaturen aus, einfach gesagt, er ist ein wichtiger Teil unserer globalen, planetaren Klimaanlage.

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Wenn grosse Flächen bewaldet sind, dann reguliert der Wald auch den Regen. Es regnet häufiger und gleichmässiger, weil Wolken gleichmässiger gesättigt werden. Ein weiterer Effekt: Ausgeglichene Temperaturen verursachen weniger Turbulenzen, also Winde und Stürme.

Im Vordergrund Reisfelder, diese sind nachhaltig Produktiv. Unser Ziel ist es, die umliegenden Berge zu bewalden. In der Mitte des bildes ist unsere Terrassenanlage zu sehen.

Im Vordergrund Reisfelder, diese sind nachhaltig Produktiv. Unser Ziel ist es, die umliegenden Berge zu bewalden. In der Mitte des bildes ist unsere Terrassenanlage zu sehen.

Wenn aber Wald entfernt wird, werden Dürren und Starkregen, Hitze, Kälte, Fluten und Trockenheiten erzeugt. Stürme und “verrücktes Wetter” entstehen. Genau dies passiert gerade auf unserem Planeten, und wir nennen es “Klimawandel”. In den letzten 10 000 Jahren haben wir Menschen mehrere Milliarden Hektaren Wald abgeholzt, eine Milliarde davon ist mittlerweile Totes Ödland. Den grössten Teil dieser Zerstörung haben wir in den letzten 150 Jahren vollzogen. Dass unser Wetter verrückt spielt ist demnach kein Wunder.

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Gerade lese ich einen Eintrag auf Facebook. Wissenschaftler können nun CO² in Gestein binden, mit einer gigantischen Maschinerie, weil CO² das Klima erwärmt. Doch in Wirklichkeit spielt es eher eine Nebenrolle beim Klimawandel. Wichtig ist Wasser. Schade, ist dies so wenig beachtet wird. Nur mit der richtigen Diagnose kann eine Behandlung gezielten Erfolg haben.

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Wirklich wichtig ist CO² im Meer, dort reichert es sich im Wasser an und lässt den PH-Wert sinken. Das Meer wird saurer, was unangenehme Konsequenzen hervorrufen kann und hervorruft. Es wird zur Zeit als eine der grössten Probleme unserer Zeit gehandelt. Und dem gebe ich Recht. Das CO² muss also in Atmosphäre und Meere verringert werden. Zuerst einmal müssen wir aufhören, weiteres freizusetzen. Und dann den Rest aus der Umwelt ziehen; Aber wie? Durch komplizierte Technologien, welche kaputt gehen, repariert werden müssen, viel Arbeit sind und selbst jede Menge Energie und Ressourcen schlucken?

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Nun, Bäume nehmen ebenfalls CO² auf, und dies in grossen Mengen. Dieses wird dann zum Rohstoff. Einerseits als Energieträger, andererseits können Zellulose und andere Baumprodukte als Grundlage für eine solare Rohstoff-Produktion dienen. Grosse Teile des CO² werden auch im Boden gespeichert, sobald sich Humus, fruchtbarer Oberboden, bildet.

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CO² kann ohne weiteres als wertvolle Ressource angesehen werden, basiert doch die meiste Produktion von Plastik auf Kohlenstoff und ist die Anwendung neuartiger Karbonfasern gerade erst am Anfang. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass der Kohlenstoff mittels Algenproduktion aus den Ozeanen gezogen werden kann. Viel zu schade, diesen Stoff in die Erde zu pumpen. Viel zu vielfältig seine Verwendung. Autos, Strassenlaternen, Möbel und Häuser, ja sogar Kleidung und Zahnbürsten können aus Kohlenstoffverbindungen gebaut werden. Wald ist eine Art, diesen zu binden und zu ernten – mit vielen positiven Nebenwirkungen.

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Deshalb also Wald. Viel Wald. Aber wie setzen wir es technisch um? Wie können wir einfach, schnell und günstig Millionen von Hektaren Wald schaffen? Pflanzen?

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Pflanzen dauert ewig…. Und so frage ich mich, ob denn Wald auch gesät werden kann. All diese kargen, trockenen Landschaften. Diese millionen Hektare an Semi Ariden gebieten in den Mittelmeerländern, in den tropischen Zonen, an den Rändern der Wüsten dieser Welt. Ich gehe spazieren, bewege diese Frage, beobachte meine Umwelt. Ich entdecke Bäume – Bäume die keiner gepflanzt hat. Pinien, Eucalyptus, Mimosa, Grevillia. Dazwischen allerlei Gebüsch und leckere Guaven. Viel zu unregelmässig stehen sie, in allen Grössen. Bei Blick aus dem Fenster meines Taxi-Brousse sehe ich trockene karge Gegenden – und immer wieder Bäume, die kein Mensch hier gepflanzt hat. Menschen hacken sie immer wieder ab, was eine Regeneration des Waldes verhindert. Menschen brennen die Landschaft regelmässig ab. Sie holzen, hacken, zerstören.

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In madagaskar gibt es etwa 40.000.000 Hektar Land zum aufforsten.

In Madagaskar gibt es etwa 40.000.000 Hektar Land zum aufforsten. Weltweit über eine Milliarde Hektar.

Und doch: Ich sehe Bäume. Wenige, und doch sind sie da. An manchen Stellen oben an den Bergen sogar kleine Wälder. Pinien, welche sich von selbst verbreitet haben, nachdem es einst ein paar Pflanzungen gegeben hat. Das ist es. Bäume können aus Samen wachsen. Ohne Baumschule. Ohne Bewässerung. Ohne Töpfchen. Kein Pflanzen. Kein Giesen – Einfach sähen.

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Wenn wir die Samen etwas unter die Erde bringen, dann erhöht sich die Keimrate enorm. Samen, welche sich natürlich mit Wind und Vögeln verbreiten, fallen gerne den Ameisen und anderen Insekten zum Opfer. Oder sie finden schlicht keinen Halt, und verderben, bevor sie keimen können.

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Unsere Bauern aber sind geübt im Sähen. Mit ihren Angadys, madegassischen Spaten, sähen sie sehr effektiv Mais, Bohnen, Reis, Erdnüsse und allerlei anderes auf ihren Feldern. Warum dann nicht also Bäume?

Auf einem alten Karton male ich mit ein paar Filzstiften eine mögliche Zukunft einer ganzen Region.

Auf einem alten Karton male ich mit ein paar Filzstiften eine mögliche Zukunft einer ganzen Region.

Mein Plan reift. In meinem Urlaub verbringe ich meine Zeit nicht nur mit Büroaufgaben, sondern auch mit dem Sammeln von Saatgut. Für ein bisschen Geld unterstützt mich die lokale Bevölkerung, und so kehre ich mit rund 300 000 Samen zurück zu den Bauern. Acacia Mangium, Casuarina equisetifolia, Grevillia. Später finde ich noch Eschen, und wir probieren Papaya und ein wenig meiner heiligen Acacia Mimosa. Diese verbreitet sich normalerweise über ihre Wurzeln und ist sehr schwer zu kontrollieren. Aus Portugal habe ich aber eine Sorte, welche sich nur über Samen vermehrt und dies nur nach Feuer. Sie kann sich nicht von selbst ausbreiten. Wächst aber sehr schnell, macht einen fantastischen Humus, schützt den Boden, reichert ihn mit Stickstoff an. Es ist eine unglaubliche Biotechnologie, keine Maschine der Welt kann, was diese Pflanze kann.

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Wir suchen Land, ich bezahle Leute, und am Ende haben wir über 15 Hektar Wald gesät. Einfach so. Mit fünf Personen pro Hektar, an einem Tag. Rund 25 000 Samen pro Hektar. Einfach so. Kein Papierkram, kein grosses gerede. Keine Werbung. Kein Budgetplan, kein Projektantrag. Dies ist unser diesjähriges Experiment, ein Freissatversuch.

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Mit den Dorfältesten besprechen wir die Wiederbegrünung der Gegend.

Sobald wir genau Wissen, wie es funktioniert, sammeln wir tonnenweise Saatgut machen tausende Hektar Wald. Und dann, wenn alles gut geht, millionen.

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Akkumuliert haben wir als Menschheit rund 2400 Milliarden tonnen CO² ausgestossen in den letzten 300 Jahren. Zeit es wieder aus der Atmophäre zu ziehen. Ein Hektar Wald kann im Jahr und globalen Schnitt über 20 Tonnen CO² speichern, eine Milliarde Hektar also 20 Milliarden Tonnen. Und all dieses CO² wird zu schönen Wäldern, Rohstoffen und guter Muttererde. Zeit die Kontinente wieder zu begrünen. Zeit, den Klimawandel abzuwenden, den Hunger in der Welt zu beenden, und mit dazu die kranke Ressourcen und Energiewirtschaft. Es ist nicht alles was wir tun müssen. Aber es steht zu 100% auf unserer globalen To-Do Liste, wenn wir eine lebenswerte und “enkeltaugliche” Zukunft wollen.

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Gemeinsam mit Sponge-Bob retten wir die Welt!

Wir sind eines unter vielen Projekten. Es gibt viel zu tun. Packen wir es an!

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Kankana

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Was der Regenwurm mit der Aristokratie zu tun hat

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Kankana, das ist Malagassy für Regenwurm; Regenwürmer. Diese fleissigen Gesellen, welche den ganzen Tag nicht anderes tun als abgestorbenes Pflanzen-Material zu fressen, Gänge zu buddeln, Erde zu lockern, zu drainagieren und zu belüften und nicht zuletzt Humus zu hinterlassen.

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Regenwürmer. Ich philosophiere stets mit den Madegassen, und stelle Fest, das Regenwürmer einen enormen sozialen Einfluss haben.

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Wie komme ich darauf?

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Nun, Regenwürmer, zusammen mit dem Bodenleben im Gesamten, bearbeiten die Erde, machen sie fruchtbar, bereiten die Erde für Pflanzenwachstum. Es ist sogar so, dass, wenn sich einer dieser fleissigen Gesellen in die ewigen Jagdgründe verabschiedet, seine Röhren nicht durch einen neuen Regenwurm besetzt werden. Jeder Regenwurm legt sein eigenes Röhren-Netzwerk an. Und seine Röhren kleidet er stets mit Regenwurm-Dung aus, verklebt diese als stabile Strassen für das Bodenleben, und für Wurzeln. Regenwürmer können bis zu drei Meter tiefe Gänge graben und bearbeiten. Se durchlüften damit die Erde tiefer als jeder Spaten, jeder Pflug und jede Egge. Die einzige Vorraussetzung für diese unglaublichen Leistungen ist genügend Futter – und, dass man den Würmchen ihre Ruhe lässt.

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Umgraben, Abbrennen, Pflügen, Künstdüngergaben und all die anderen Aktivitäten vom Menschen stören den Regenwurm. Lassen wir die Erde unbedeckt (was quasi alle Felder sind), verliert Regenwurm Nahrung und Schutz, die Erde schwemmt ein und trocknet dann oben zu harter Kruste. Regenwurm und all das andere Bodenleben finden das so garnicht gut. Sie werden weniger, bis hin zu fast totalem verschwinden. Damit aber geht auch ihre Leistung verloren. Ohne Luft kommt anaerobes Leben und zersetzt den fruchtbaren Humus. Die Erde wird hart und unfruchtbar.

Und was tut Mensch dann?

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Anstatt das Problem zu verstehen und zu lösen, haben die meisten Landwirtschaftskulturen Behelfstechnologien enwickelt. Sie werden als grosse Errungenschaften unserer Zivilisation verstanden, sind aber nicht mehr als Krücken von Menschen, welche die Natur nicht recht verstehen. Hacken, Spaten, Pflüge. Traktoren. Eggen. Dünger.

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Weil wir die Regenwürmer und all seine Freunde zunichte gemacht haben, mussten wir Menschen ihre Arbeit übernehmen. Harte Arbeit. Unangenehme Arbeit. Hacken, Pflücken… für die Kankanas ihr Lebensinhalt… für uns eine Schinderei. Meine Grossmutter erzählte mir von der Arbeit früher auf dem Felde, die Einführung der Traktoren sei eine riesen Erleichterung der Arbeit gewesen. Ich glaube ihr.

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Nun, all dies begann schon vor langer Zeit. In Gesellschaften, welche weitestgehend egalitär waren. Jede Position in der Gesellschaft war gut und keiner hatte wirklich ein Problem damit. Das waren die sogenannten Idigenen, die Naturvölker. Plötzlich gab es nun aber Arbeit. Unangenehme Arbeit, über Stunden in der Sonne stehen, Erde weich klopfen und dabei schwitzen. Um diese Arbeit wollte Mann sich gerne drücken, und so entstand zum ersten mal in der Geschichte eine ungleiche Gesellschaft. Die, welche arbeiten mussten, und jene, welche dies eher nicht so sehr taten. Menschen begannen Menschen zum Arbeiten zu zwingen. Sklaverei entsteht fast automatisch mit der Landwirtschaft, weil Feldarbeit wirklich sehr unangenehm ist. Mit der Sklaverei entsteht aber auch eine Oberschicht. Die Adligen. Die Andriana.

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Der Verlust der Regenwürner hat also in gewisser Weise die Sklaverei, die Hyrarchie und die Aristokratie nach sich gezogen.

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Wie komme ich eigentlich darauf? Ganz einfach. Ich versuche den Menschen zu erklären, dass sie die Erde abmulchen sollen und stets genügend Futter für die Erdenbewohner bereitstellen. Dann müssten sie die Erde nicht mehr bearbeiten. Wenn sie die Erde in Ruhe lassen und nach Jeder Ernte das Stroh auf die Erde legen. Dann bräuchte es keine Sklaven (heute Tagelöhner) mehr, und keine harte Plackerei. Durch meine Versuche, es auf auf wirklich einfachem Intellektuellen Niveau den Bauern zu erklären, wird mir selbst so manches Klar.

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Wenn wir dank der Regenwürmer keine Sklaven mehr brauchen, dann brauchen wir auch keine Adligen mehr. Dann brauchen wir keine Hyrarchie mehr, keine Traktoren, keine Finanzinstitute und all die anderen Derivate dieser verkommenen Geschichte. Wenn wir die egalitäre Gesellschaft mit den Regenwürmern verloren haben, dann könnten wir vielleicht dank der Regenwürmer wieder eine egalitäre Gesellschaft erreichen. Mir ist jedenfalls keine Gärtnerkultur bekannt, welche sehr Kriegerisch aufgestellt war. Immer waren es Landwirte und Viehzuchtgesellschaften.

Ein schön gemulchter Garten. Hier sind die Regenwürmer happy!

Ein schön gemulchter Garten. Hier sind die Regenwürmer happy!

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Und so werden unsere lieben Regenwürmer, die Kankanas, zum Finale der bürgerlichen Revolution!

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Menalamba – ein Team wächst

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Die wichtigste Aufgabe für den Einsatz 2016/2017 ist die Bildung eines Teams. Wir wollen erreichen, dass unsere Jungs vor Ort den tieferen Sinn verstehen und Begeisterung gewinnen für das Anliegen. Nur mit wirklicher innerer Motivation ist die ganze Sache nachhaltig. Unsere Arbeit ist zu 20% technisch und zu 80% Arbeit an menschenlichen und kulturellen Themen. Arbeit an uns selbst und mit den Menschen vor Ort. Es geht bewusst nicht darum, zu missionieren, sondern darum, Erkenntnis und Begeisterung zu wecken. Auf beiden Seiten. Die Beziehung zwischen schwarz und weis ist recht belastet durch die Vergangenheit der Kolonisierung und auch durch die Ungleichheit der heutigen Neo-Kolonisation. Wir wollen auf eine ganz neue Art beginnen, Beziehung aufzubauen, Vertrauen ineinander zu gewinnen und dann die gemeinsame Zukunft fokussieren.

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Und es geht ganz praktisch darum, kompetente junge Permakultur-Ingenieure auszubilden.

Unsere Studenten beim diskutieren der neuen Techniken.

Unsere Studenten beim diskutieren der neuen Techniken.

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Wir werden ein Team von acht Leuten sein, für fünf Wochen leben wir zusammen, arbeiten wir zusammen, schwitzen wir zusammen. Vier Schwarze, vier Weisse. Lachen zusammen, essen Reis zusammen und lernen einander immer besser kennen. Wir begeben uns in ihre Welt, leben in dieser, respektieren sie, und versuchen etwas aus der unseren Welt mitzubringen.

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Unsere erste Station ist Menalamba, unser Distrikt am Rande der Zivilisation. Dort haben wir bereits sieben Partnerbauern. Wir gehen der Reihe um, zu jedem Bauern einen Tag, um Terrassen zu bauen, Swales anzulegen und die bisherigen Arbeiten zu korrigieren. Haben wir bis dahin erreicht, dass sie überhaupt was machen, geht es nun darum, dass sie es richtig machen. Unsere Studenten bekommen die Aufgabe, die Arbeiten zu planen und zu leiten, jeden Tag ein Stück mehr. Und die Anlagen werden wirklich toll.

Solo, vormals Tagelöhner, nun wird er zum selbstständigen Permakultur Bauer.

Solo, vormals Tagelöhner, nun wird er zum selbstständigen Permakultur Bauer.

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Francois und Solo, vormals Tagelöhner, bekommen nun so richtige Extra-Klasse-Anlagen. Besät, Bepflanzt und bemulcht sind sie bereit, den nächsten Regen zu erwarten. Dieser ist im Dezember ausgeblieben und auch im Januar lässt er auf sich warten. Es ist DAS Gesprächsthema nummer eins. Januar ohne Regen, das hat es noch nie gegeben. Wir erleben live eine Dürreperiode. Ein sehr seltsames Gefühl, aktiv zu versuchen den Klimawandel zu beeinflussen, während er geschieht. Hier ist es nicht wie bei uns in Europa. Hier beschweren sich die Menschen nicht über die Hitze und kaufen einen extra Ventilator. Hier verlieren die Menschen ihre Ernte, welche ihr Leben bedeutet. Wir hoffen, diese negativen Effekte durch unsere Techniken abmildern zu können.

Auf unseren Terrassen wächst es auch noch nach fünf Monaten Dürre.

Auf unseren Terrassen wächst es auch noch nach fünf Monaten Dürre.

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Wir perfektionieren unsere Terrassensysteme. Erstmals bauen wir sie nun gross genug. Je grösser die Terrasse, desto besser, bis zu einem bewissen Mass. Schmale Terrassen haben im Verhältnis zur Fläche viel Rand – Rand, welcher gepflegt werden muss. Wir bauen Terrassen von mindestens drei Metern breite, besser 5-8 Meter. Neu ist auch ein System, welches unser Deutscher Maschinenbauingenieur Felix entwickelt. Er probiert verschiedene Techniken um die gute Humose Erde nicht zu verschütten. Am Ende setzt es sich durch, die gute Erde auf der ermittelten Mitte der Terrasse zu sammeln, dann die schlechte Erde über diesen Haufen nach unten zu befördern, um die Terrasse zu erhalten. Zuletzt wird die Gute Erde dann verteilt um eine schöne, gerade Terrasse zu bauen.

Dinat, unser erster Bauer, nun arnbeitet er mit den anderen zusammen. Er gibt sein Wissen und seine Erfahrung weiter.

Dinat, unser erster Bauer, nun arbeitet er mit den anderen zusammen. Er gibt sein Wissen und seine Erfahrung weiter.

Gemeinsam können wir grosses schaffen!

Gemeinsam können wir grosses schaffen!

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Dann bekommen die Terrassen ein Wegesystem, welches gleichzeitig Wasser reteniert. Die Beete werden immer 1,20 Meter breit und etwas erhöht angelegt, das ist das Optimum zur Bearbeitung. 60 Zentimeter Breite kann Mensch gut vom Weg aus bearbeiten, ohne auf das Beet stehen zu müssen. Ist es breiter, ist Mensch versucht, auf die weiche Erde zu stehen. Ist es zu schmal, ist der Verlust durch Wegfläche zu gross. Dann pflanzen wir an die Terrassenränder hangseitig Zitronengras im Abstand von 15 Zentimetern. Dieses dient als Erosionsschutz und gleichzeitig kann man hier in Zukunft immer Mulch schneiden. Zitronengras bildet dichte Büschel und wächst in vier bis sechs Wochen voll nach. So hat Mensch immer Futter für Regenwurm und Kollegen. Nachdem die Beete fertig angelegt sind, werden sie besät und gemulcht. Noch müssen wir das Mulch von woanders besorgen, was deutlich mehr Arbeit ist. Diese Arbeit wird dann überflüssig.

Fertige Terrassen, besät, gemulcht. Die Wege füllen sich mit Wasser, wenn es regnet. Dieses kann dann einsickern.

Fertige Terrassen, besät, gemulcht. Die Wege füllen sich mit Wasser, wenn es regnet. Dieses kann dann einsickern.

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Mulchen lohnt in jedem Fall, denn durch Mulch ist die lockere Krume geschützt vor Regen, Wind und Sonne. Ausserdem hält es die Nahrungszufuhr für das Bodenleben aufrecht. Wenn geerntet wird, schneiden wir die Pflanzen ab und belassen die Wurzeln im Boden. So wird bis in die Tiefe gefüttert. Die Früchte und Samen nimmt Mensch mit, das Stroh legt Mensch auf die Beete und hat so die Mulchschicht erneuert. Alternativ kann das Stroh auch an Tiere gefüttert werden und deren Dung auf die Beete gebracht werden. So wird noch eine Ernte zwischengeschaltet. Sobald als möglich wollen wir Hasen einführen. Diese sind niedlich, lecker und machen prima Dünger. Ausserdem ist Hasenfutter leicht zu aquirieren (im Vergleich zum Beispiel zu Hühnerfutter), der Bestand leicht zu vergrössern und zu verkleinern, und ausserdem sind Hasen eine gute Portion. So ist eine Kuh zu schlachten, ja selbst eine Ziege, deutlich mehr Umstand. Ein Hase ein gutes Mittagsessen. Die Leserin möge bedenken, hier draussen gibt es keine Kühlschränke.

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Die Hänge zwischen den Terrassen werden mit Bananen, Zuckerrohr, Ananas, Süsskartoffeln, Maniok und allerlei anderem bepflanzt. Das stabilisiert die Hänge und erhöht die Ernte nochmals enorm. Ausserdem produzieren Bananen und Zuckerrohr jede Menge Biomasse – dies hilft uns die Erde aufzubauen. Mittelfristig ersetzen wir sie durch wertvollere Früchte. Mangos, Litschis, Pfirsiche, Pflaumen, Avocados, Café, Cacao….

Bohnen, sie spriessen nach 2-3 Tagen.

Bohnen, sie spriessen nach 2-3 Tagen. Am Hang im Hintergrund sieht man Bananen, dazwischen sind kleine Anananas und Süsskartoffeln.

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Die tägliche Arbeit schweisst uns zusammen. Und nach dem zehnten mal den gleichen Fehler zu machen, beginnen unsere Studenten sogar ein bisschen, selbst nachzudenken. Spätestens bei der vierten Farm lief es dann richtig gut. Wir sind ein eingespieltes Team, die Madegassen machen die Planung mehrheitlich selbstständig – genau das ist unser Ziel. Zwei der Studenten betreuen in Zukunft Permapartner-Bauern. Ihre Aufgabe wird es stets sein, Permakulturanlagen zu planen und die Umsetzung zu begleiten. Diese Arbeit bereitet sie darauf vor.

Gemeinsam lernen bei einer unsere Anlagen.

Gemeinsam lernen bei einer unsere Anlagen.

Permakulturschule im Busch.

Permakulturschule im Busch.

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Mittags kocht immer die jeweilige Bauernfamilie, Abends kochen und essen wir zusammen in unserer bescheidenen Unterkunft. Wir reden als noch etwas, machen einige Lektionen. Dann fallen wir totmüde ins Bett – oder besser gesagt, auf Isomatte und Strohsack.

Schonmal mit Feuer gekocht?

Schonmal mit Feuer gekocht?

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Felix und ich schlafen etwas ausserhalb. Wir squatten einen alten Bungalow, welcher eigentlich für Ökotouristen da wäre, die aber nie gekommen sind (das war mal eine “Entwicklungshilfe” Projekt). Das Dach ist schon etwas zerlöchert, die Fenster fehlen. Und so haben wir frische Luft und Sternenhimmel. Schöner wohnen mal anders.

Schöner Wohnen im Busch.

Schöner Wohnen im Busch.

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Jeden Tag starten wir um halb sechs aus unseren Schlafsäcken, rollen Isomatte und Mückennetz auf und beginnen unsere Tagewerk. Nicht, ohne dass zuerest jeder seine Schüssel Reis gefuttert hat. Die gibt es zum morgen, zum Mittag und zum Abend. Abwechslung bietet die Beilage. Morgens Bananen und Honig, Mittags Bohnen, abends Gemüse, welches Felix zur Freude aller besorgt hat. Nono, einer der Studenten, kocht es mit grosser Hingabe zu echt leckeren Kombinationen. Zweimal gab es sogar Nudeln.

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Wir hätten auch Hühnchen kaufen können, eine Köchin einstellen. Wir könnten allen Luxus mit hierher nehmen. Es wäre nicht einmal teuer. Aber wir wollen uns auf die Arbeit konzentrieren und nicht das ganze Bild hier durcheinander bringen und die sozialen Gefüge. Zuviele Weisse verwöhnen ihre Angestellten und Mitarbeiter. “Sie müssen ja anständig bezahlt werden.”. Ehrlich, die meisten, welche “gegen die Armut” kämpfen, haben sie selbst nie erlebt. Nie mit den Menschen gelebt. Es wird von oben herunter geholfen. Aus Hotels, aus Sitzungszimmern und teuren Geländewagen. Wir kommen mit Second-Hand Fahrrädern vom Schrott. Mit Second Hand Kleidern und alten Handys. Den Luxus lassen wir zuhause. Wir sind immernoch die Super-Reichen hier. Aber da ist keine Mauer mehr, keine unsichtbare Wand. Manchmal vergessen wir ganz unsere Unterschiede. Schwingen unsere Schaufeln, schwitzen. Essen Reis.

Gruppenbild Bauern

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Irgend ein schlauer Propagandist hat einst den Term “dritte Welt” erfunden. Dadurch trennen wir uns emotional vom Opfer – so wie wir “target” sagen und “Feind”, anstatt “Nachbar, den wir für unseren Boss töten gehen”. Entmenschlichung und Entfremdung ist die Grundlage für jedes Verbrechen. So auch unsere Ausbeutung der “dritten Welt”. Es sind Menschen wie wir, anders, total anders, und doch Menschen. Gleichwertig. Und anders. Es lohnt sich, sie kennen zu lernen!

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Manche ganz tollen Gutmenschen nennen es nun nicht mehr die dritte Welt, und auch der Begriff “Entwicklungsländer” ist mittlerweile aus der Mode gekommen. “Globaler Süden” muss man nun heute sagen, wenn man den die Worte Mitmenschen und Nachbarn vermeiden möchte. Und als Investor sagt Homo Economicus “Emerging Market”.

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Alles Scheisse. Wir haben recht den Verstand verloren, wir im “globalen Norden”. Oder wurden wir um den Verstand gebracht?

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Hier mit den ärmsten der Welt, im Kampf um Ernte, Wälder und Erosion erkennen wir es. Das Leben geht nicht ums Geld, um Rentenkassen, um Gartenzaun und Auto. Das Leben ist heilig, es gilt, ehrenvoll zu leben. Glücklich, zufrieden und erfüllt.

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Das Leben, das ist viel fundamentaler. Doch irgendwie wurde bei uns das ganze Leben in Plastik verpackt und im Supermarkt verkauft. Was bleibt sind Menschen, welche in der Illusion der Werbung, der reality Soaps und Lifestyle Magazine leben. Menschen, die keinen Lebens-Inhalt haben, sondern nur Lebens-Hüllen, welche ihnen von Schule und Medien umgelegt wurden. Diese Hüllen bestehen aus Konsum und einem gesellschaftliches Theater, in welchem Fassade, “Styling”, Etikette und dergleichen Zählen. Was eigentlich zählt im Leben, nun…

Was zählt im Leben? Das Leben!

Was zählt im Leben? Das Leben!

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Gerne würde ich dies alles meinen madegassischen Freunden hier erzählen. Als Warnung. Und als Anerkennung, dass sie noch sehr viel mehr vom Leben verstehen, als sie selbst wissen. Sie wollen aber so sein wie wir. Wollen tolle Kleider, Handys und Konsumprodukte. Wir können sie verstehen. Wie sollen wir es ihnen verübeln?

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Noch ist hier das soziale Leben wichtiger als anderes, noch ist man zusammen, egal wieviel man hat. Ich hoffe, sie verlieren diese Werte nicht. Freundlichkeit. Geselligkeit. Toleranz. Fihavanana – “die Beziehung zwischen uns”. Darum geht es doch im Leben. Das Leben ist der Sinn des Lebens. Und nicht die Mittel, welche uns leben lassen.

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Und so versuchen wir nicht, ihnen viel Geld und Dinge hierher zu bringen, sondern die natürlichen Reichtümer zu schützen, wieder aufzubauen und zu regenerieren.

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Sehr viel rede ich hier über Philosophie. Rege die Studenten dazu an, über den Sinn des Lebens zu grübeln. Denn einfach noch mehr Konsum-Menschen zu schaffen, dass kann nicht unser Ziel sein. Und so achten wir mehr auf die Arbeit, denn dies schafft Charakter.

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Wir bauen unseren ersten Teich. Nach einem Tag Planung stellen wir 50 Leute ein, welche mit Schaufeln und blossen Händen über die fünf Tage rund 150m³ Material bewegen, um den Damm zu bauen. Zuerst heben wir einen Graben aus, um jeglichen Schwemm-Sand im Talboden zu entfernen. Sodann füllen wir diesen mit Lehm und stampfen ihn. Dadurch entsteht ein dichter Lehmkern, welcher das Wasser zurück hält. An der Stelle des Lehm-Aushubs entsteht ein rechtes Loch, so erhalten wir eine Tiefwasserzone. Am Ende sieht der Damm garnicht so gewaltig aus, das meiste ist unter der Erde. An der höchsten Stelle ist der Lehmkern rund drei-einhalb Meter hoch. Der Damm aber erhebt sich kaum 1,5 Meter über der Erde.

Unser Teichbau-Team. Fünfzig an der Zahl.

Unser Teichbau-Team. Fünfzig an der Zahl.

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Rund 400m² wird die Wasserfläche sein. Das kann im Jahr 400kg Fisch geben. 50% davon werden für 10 Jahre an unsere Organisation gehen, um weitere Investitionen zu tätigen.

Rivo betrachtet stolz unser Werk. Stolz und Selbstwert ist mit das wertvollste, was die Menschen hier gewinnen können.

Rivo betrachtet stolz unser Werk. Stolz und Selbstwert ist mit das wertvollste, was die Menschen hier gewinnen können.

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Das wichtigste ist aber, dass wir mit einfachen Mitteln, mit den Mitteln der Menschen vor Ort, grosses erreichen. Unsere Parole “Miara Miasa – Gemeinsam Arbeiten” führt den Menschen vor Augen, wie stark sie gemeinsam sind. Wenn die Menschen sagen: “uns fehlen die Mittel”, dann haben wir sie hiermit gegenbewiesen. Wir nutzen alles, was wir vor Ort finden. Und nicht mehr. Ausser unser Wissen und unsere Kreativität. Und diese hoffen wir, dass sie ansteckend ist. Es wird noch eine Weile dauern, aber an einem Tag der Funke überschlagen.

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Die schlimmste Folge der Kolonisation war die Zerstörung von Kultur, Selbstwert und Selbstbewusstsein. Die Menschen wurden gebrochen. Wir wollen bunte Flicken draufkleben und eine farbige neue Kultur anregen. Zuerst im kleinen Kreis, in unserem Team, und dann immer mehr.

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Durch unsere praktische Arbeit brauchen wir nicht so viel zu reden, denn die Arbeit selbst ist das Transportmittel unserer Nachricht an die Menschen. Wir schaffen keine Machbarkeitsstudien – wir schaffen Fakten.

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Menlamba läuft prima, wir bauen für sieben Bauern genügend Gärten um sich zu ernähren und einen leichten Überschuss zu haben, wir bauen unseren ersten Fischteich und wir haben unseren Schulgarten auf Vordermann gebracht.

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Das wichtigste aber: Wir gehen als Team zum nächsten Einsatzort. Wir haben die Brücke geschlagen. Wir haben ein neues Miteinander von Schwarz und Weiss.

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Von links: Felix, Jean Noel, Luisa, Loic, Nono, Clement. Rivo ist wohl der Fotograph, ich bin schon vorgefahren, um das nächste Projekt vorzubereiten.

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Felix. Unser Hühne. Unser Ingenieur. Luisa. Unser fleissiges Bienchen aus Deutschland. Nono. Unser Chefkoch, der schaufelt als gäbe es kein Morgen. Jean Noel, unser konservativer, arbeitet sehr bedacht und ordentlich. Clement. Er ist Stockschwul, darf es aber leider nicht sagen (homosexualität ist strikt untersagt und unterdrückt hier). Wir alle haben ihn ultra gerne! Loic, unser Filmemacher aus Deutschland. Und zuletzt Rivo und ich, welche endlich ein paar neue Buddies haben. Rivo ist recht nachdenklich in letzter Zeit, er hat im Dezember seine Mutter verloren. Mit 20 Jahren ist er nun Vollwaise, muss die Farm führen und sich um seinen kleinen Bruder sorgen.

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Wir sind ein Prima-Team. Unser nächster Einsatz-Ort ist Sahamamy. Dort planen und bauen die Jungs fast selbstständig eine Anlage, welche Grundlage werden soll, um eine Permakulturschule zu errichten. Die Konzeptidee ist einfach: Die Studenten Bauen selbst die Anlagen, bauen Häuser und andere Facilities, pflanzen an und ernten. Sie produzieren alles nötige zum Leben, lernen dabei, wie dies geht, und benötigen dadurch kein Schuldgeld. Die Überschüsse können sie verkaufen um weitere Mittel zu kaufen. Und den Rest können Volunteers aus Europa mitbringen. Bis dahin ist es noch ein langer Weg, aber der Anfang ist gemacht.

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Als alles fertig ist fängt es an zu regnen. Nach der ersten Dürre in der Geschichte der Region beginnt es am achten Februar zu regnen. Starke sechs Wochen zu spät.

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Zum Abschluss fahren wir gemeinsam nach Antananarivo, der Hauptstadt, wo wir etwas ausserhalb einen Schulgarten bauen. Dies ist ein solch ein besonderes Projekt, dass ich es euch das nächste mal eingehender Beschreibe. Spätestens dort entwickeln unsere Jungs etwas wirkliches seltenes hier: Stolz.

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Sie denken selbst mit, organisieren, planen, übernehmen Verantwortung. Gemeinsam erreichen wir grossartiges. Und dies macht mich, wenn ich das Team sehe, auch sehr Stolz.

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Danke für diese Zeit. Nono, Lulu, Flix, Loic, Rivo, Cle, Jean Noel! Danke!

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Rivo fährt mit Werkzeug für fast 20 neue Bauern im Gepäck nach Hause. Er wird im nächsten Jahr verantwortlich sein für den Bau von 24 Bauernhöfen.

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Jean Noel betreut 15 Bauern. Und beide bauen selbst auch ihre Ländereien zu Permakultur-Anlagen.

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Clement wird der Schulgärtner von Maromahatsinjo.

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Und Nono, unser Koch… der wird Parkmanager im Norden des Landes, in einem kleinen Privatreservat. Ausserdem wird er Andi helfen, einem schweizer Freund, welcher in Diego eine grosse Permakulturanlage plant und umsetzt. Andi hat ihm diese Ausbildung ermöglicht. Ein Dank nach Diego.

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Felix, Loic und Luisa werden zurück nach Europa gehen, ich hoffe inspiriert, auch unseren Kontinent Europa nachhaltiger zu gestalten. Mit Permakultur, einer positiven Antwort auf die Probleme unserer Zeit.

Und am Ende ist alles wieder Wald.

Und am Ende ist alles wieder Wald.

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Antananarivo – eine Traurige Schlappe für den Naturschutz

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Ich gehe breits ein paar Tage früher weg von Sahamamy. Ich möchte in Antananarivo noch Erledigungen machen, unser nächstes Projekt vorbereiten und die Leute von Asity treffen, dies ist eine Naturschutzorganisation, welche die Aufgabe hat, in Menalamba den Naturschutz umzusetzen. Es sind Ornithologen, zu aller erst, und Grossstädter. Bei uns draussen im Busch sehen wir sie sehr selten bis quasi nie. Ich möchte sie mal sprechen, weil in letzter Zeit spitzt sich die Lage in Menalamba zu.

Ein Waldbrand in Menalamba. Er wird drei Wochen lang brennen und rund 50 Hektar Wald zerstören.

Ein Waldbrand in Menalamba. Er wird drei Wochen lang brennen und rund 50 Hektar Wald zerstören.

So sieht es nach einem Waldbrand aus, hier eine andere Stelle. Wir haben über sieben Brände beobachtet. In direkter Umgebung unseres Dorfes.

So sieht es nach einem Waldbrand aus, hier eine andere Stelle. Wir haben über sieben Brände beobachtet. In direkter Umgebung unseres Dorfes.

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Erinnern wir uns; Menalamba ist eigentlich ein sehr grosses Naturschutzgebiet, welches aus einem grossen Sumpf und sehr viel Wald besteht (bestand…). Vor allem das Feuchtgebiet ist sehr speziell, es steht unter einem internationalen Schutzabkommen, dem sogenannten RAMSAR Schutzabkommen für Feuchtgebiete. Feuchtgebiete gehören zu den bedrohtesten Lebensräumen auf dem Land, wegen Drainagierung und Nutzbarmachung für Landwirtschaft. In Europa sind fast alle Sümpfe verloren gegangen. Und hier in Madagaskar ist es auch fast soweit. Sümpfe sind prima, um Reis anzubauen, und ratet mal, was Madegassen gerne essen…

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In Madagaskar vergibt der Staat Konzessionen für Naturschutz an private Organisationen, welche dann mit westlichen Hilfsgeldern Naturschutz umsetzen (sollten). Dies ist eine sehr clevere Strategie, kostspielige Staatsaufgaben an andere abzuwälzen, während die lukrativen Teile (Nationalparks) an korrupte Staatorganisationen gehen. Hier bei uns ist diese Organisation eben Asity, Birdlife International Partner, und zur grossen Ausnahme “national” finanziert – von der grossen Mine nebenan. Ein Schelm, wer böses vermutet.

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Nun, zumindest die nationale Koordinatorin (um nicht Chefin zu sagen) ist sehr nett. Wir kennen uns schon seit über einem Jahr, seit ich sie das erste mal in Tana getroffen habe. Ihr Team vor Ort ist, naja, mit Dingen beschäftigt, die mir schleierhaft sind, und so will ich wieder nach Tana ins Zentralbüro. Ich frage, was denn genau der Plan von Asity vor Ort ist, aber so wirklich viel Plan gibt es nicht. Es wird vor allem klar, dass die lokale Korruption sie angegriffen hat. Aus lauter Angst haben sie mehr oder weniger klein beigegeben, was ich sogar recht verstehen kann. Denn es sind Business-People, der Bürgermeister, die Polizei, die Gendamerie, und bis hin zu den regionalen Behörden in der nahen Stadt Moramanga sind alle verstrickt im Geschäft mit Land, Edelholz, Holzkohle und Reisfeldern.

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Sie aber sind Ornithologen, und so wie auch bei uns, haben viele Naturliebhaber nicht gerade Reiszähne und noch viel weniger Phantasie, wie man Probleme lösen kann. Sie sind viel zu lieb, um MAFIA zu verstehen und geschweige denn zu bekämpfen. Sie haben sogar den Sohn eines der Obermafiosis als ihren lokalen Vertreter erkoren – “ausversehen”, wie sie sagt. Entweder sind sie wirklich so einfältig, oder sie haben damit die weisse Fahne geschwenkt und das Handtuch geworfen. Nicht so gut.

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Nun, ich erkläre ihr nochmals unser Programm, zeige auf, wie wir das Problem der Brandrodung lösen können. Dass wir die Landwirschaftsflächen verringern können, den Wald wieder aufbauen und die Fragmentierung desselben rückgängig machen können. Mit neuer technik und Methode, im Konsens mit der Bevölkerung. Wir tun es ja bereits heute.

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Was wir mit der MAFIA machen, dass weis ich auch nicht. Dann läd mich die Koordinatorin zu einer Konferenz ein mit allen Stakeholdern in Menalamba, ich lehne ab. Zeitverschwendung. Ich bitte sie, uns offiziell zu ignorieren und unser Engagement herunter zu spielen. Da muss sie garnicht viel machen, die MAFIA versucht uns schon länger als verrückte Idioten zu stempeln. Wir beschliesen aber, verdeckt daran zu arbeiten, etwas an der Situation zu ändern. Wie, das weis ich auch noch nicht. Ich verlasse mich auf Zanahary.

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In den Wochen der Dürre sind einige Waldbrände ausser Kontrolle geraten, einer hat über 50 Hektar Wald vernichtet. Es brannte über drei Wochen. Alle haben zugeschaut. Keiner hat was getan. Auch Asity nicht.

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Ich verlasse ihr Büro, etwas ernüchtert und traurig, dass wir gerade nichts ausrichten können. Dass die MAFIA so mächtig ist und den Naturschutz einfach so blockieren kann. Ich richte ein Stossgebet ein Zanahary, wünsche mir starke Freunde. Es muss doch Leute oben in der Verwaltung geben, die Anstand in der Brust und Eier in der Hose haben.

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Noch am selben Abend erhört mich der grosse Geist. Ich treffe einen echt coolen Andriana, er versorgt mich mit Kontakten und wir unterhalten uns die nächsten drei Tage in jeder freien Minute, welche wir finden.

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Ich grüsse auch herzlich,

Lukas